Verhandlung vor dem LG München I: Zweiter Aus­set­zung­s­an­trag im Wire­card-Pro­zess

18.01.2023

Nachdem zuvor bereits die Verteidigung von Markus Braun eine Prozessaussetzung forderte, beantragt auch die Anwältin des früheren Chefbuchhalters von Wirecard eine Unterbrechung des Verfahrens.

Der Strafprozess gegen drei ehemalige Wirecard-Manager vor der 4. Strafkammer des Landgerichts München I soll bis 2024 dauern. Verteidiger der Angeklagten versuchen, das Verfahren mit Vorwürfen gegen die Staatsanwaltschaft aus den Angeln zu heben. Nach der Verteidigung des früheren Vorstandschefs Markus Braun beantragte am Mittwoch auch die Anwältin des früheren Chefbuchhalters eine Aussetzung des Prozesses. 

Verteidigerin Sabine Stetter warf der Staatsanwaltschaft München I ein rechtswidriges Vorgehen und schwere Ermittlungsfehler vor. Die Angeklagten hätten Anspruch auf ein faires und rechtsstaatliches Verfahren. Stetter nannte drei Punkte: Die Staatsanwaltschaft soll demnach der Verteidigung die seit Monaten vorliegenden Aussagen wichtiger Zeugen beziehungsweise Beschuldigter vorenthalten haben. Außerdem hätten die Ermittler es versäumt, ein für das Verfahren wichtiges Mailpostfach zu sichern und sich einen Überblick über das private Gehaltskonto des Kronzeugen Oliver Bellenhaus zu verschaffen.

Für den Prozess ist dies von Bedeutung, weil insbesondere Ex-Vorstandschef Braun den Kronzeugen beschuldigt, Firmengelder in Millionenhöhe auf die Seite geschafft zu haben. Bellenhaus war bis zur Insolvenz im Sommer 2020 Geschäftsführer der Wirecard-Gesellschaft Cardsystems Middle East in Dubai.

Verteidiger von Braun sieht Rechtsstaatsprinzipien verletzt

Brauns Verteidiger Alfred Dierlamm hatte bereits kurz nach dem Auftakt im Dezember die Aussetzung des Verfahrens beantragt. Er wirft der Staatsanwaltschaft gravierende Verstöße gegen rechtsstaatliche Prinzipien vor.

Der ehemalige Chefbuchhalter, der frühere Dubai-Geschäftsführer und Braun sollen laut Staatsanwaltschaft seit 2015 die Bilanzen des Zahlungsdienstleisters gefälscht und kreditgebende Banken um 3,1 Milliarden Euro geschädigt haben. Im Falle einer Verurteilung wäre das der größte Betrugsschaden in Deutschland seit 1945.

Sowohl Braun als auch der frühere Chefbuchhalter sind im bisherigen Verlauf des Prozesses vom Kronzeugen Bellenhaus umfangreich beschuldigt worden. Braun hat über seine Anwälte eine Unschuldserklärung abgegeben und sieht sich selbst als Opfer. Der ehemalige Chefbuchhalter hat sich bislang weder persönlich noch über seine Anwälte zur Anklage geäußert.

dpa/sts/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Verhandlung vor dem LG München I: . In: Legal Tribune Online, 18.01.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50803 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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