Plädoyers im NSU-Prozess: Zschäpes Anwälte for­dern maximal zehn Jahre Haft

26.04.2018

Drei Tage haben Beate Zschäpes Verteidiger plädiert. Sie fordern zwar eine lange Haftstrafe für ihre Mandantin - aber nicht wegen Mordes.

Die Verteidiger der mutmaßlichen Rechtsterroristin Beate Zschäpe haben im NSU-Prozess eine maximal zehnjährige Haftstrafe für ihre Mandantin gefordert. Die heute 43-Jährige solle nur wegen besonders schwerer Brandstiftung und Beihilfe zu mehreren Raubüberfällen verurteilt werden, nicht aber wegen Mittäterschaft oder Beihilfe an den Morden und Bombenanschlägen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU). Das sagten ihre Vertrauensanwälte Hermann Borchert und Mathias Grasel am Donnerstag am Ende ihres Plädoyers vor dem Münchner Oberlandesgericht (OLG). Auch die Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung seien nicht erfüllt.

Die Bundesanwaltschaft hatte für Zschäpe dagegen lebenslange Haft und anschließende Sicherungsverwahrung gefordert. Nach Überzeugung der Anklage war Zschäpe eines von drei gleichberechtigten Mitgliedern der Terrorzelle NSU und sollte deshalb als Mittäterin an sämtlichen Verbrechen der Gruppe bestraft werden. Dazu zählen zehn Morde, neun davon aus rassistischen Motiven, einer an einer deutschen Polizistin, sowie zwei Bombenanschläge in Köln mit Dutzenden Verletzten. Zschäpe soll alle Taten ihrer Freude Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gewollt und unterstützt und einen Willen zur Tatherrschaft gezeigt haben - auch wenn sie bei den Morden und Anschlägen nicht mit dabei war.

Nur moralisch schuldig

Grasel zitierte mehrere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, mit denen Verurteilungen wegen Mittäterschaft in anderen Fällen kassiert wurden. Dieselben Kriterien würden auch für Beate Zschäpe gelten und stünden einer Verurteilung wegen Mittäterschaft an den Morden im Weg, betonte er. Bei Zschäpe seien allenfalls "Ansatzpunkte erkennbar, die auf ein Interesse am Erfolg der Taten schließen lassen könnten". Dies alles reiche jedoch nicht aus, um eine Tatbeteiligung oder eine Tatherrschaft als gegeben anzunehmen. Vielmehr habe seine Mandantin "keine Einflussmöglichkeit auf die Durchführung der Taten" gehabt.

Ganz am Ende des Plädoyers verwies Borchert darauf, dass Zschäpe habe vortragen lassen, dass sie sich "moralisch schuldig" fühle, auch dass sie die Morde und Bombenanschläge nicht habe verhindern können. "Die moralische Schuld der Mandantin kann jedoch nicht Grundlage für eine Verurteilung im juristischen Sinne sein." Zschäpe sei "Schuld im juristischen Sinne" nur im von ihm vorgetragenen Umfang vorzuwerfen, "so sehr dies auch in moralischer Hinsicht unbefriedigend sein mag".

Die Anklage hatte in ihrem Plädoyer zudem argumentiert, Zschäpe habe mit ihren Komplizen die fanatische nationalsozialistische Gesinnung geteilt und "ein Drittel eines verschworenen Triumvirats" gebildet. Grasel setzte dem entgegen, die Gesinnung sei "als Indiz für eine Tatbeteiligung und eine Tatherrschaft ungeeignet". Er fügte außerdem hinzu, die innere politische Einstellung Zschäpes habe sich weiterentwickelt und verändert. "Aus zahlreichen Gesprächen in den vergangenen Monaten und Jahren bin ich der festen Überzeugung, dass bei Frau Zschäpe heutzutage keinerlei rechtsextremes, staats- oder gesellschaftsfeindliches Gedankengut vorhanden ist", sagte Grasel.

Mit dem Start der Verteidiger-Plädoyers ist das seit Mai 2013 laufende Mammutverfahren in die letzte Etappe gegangen. Nach Borchert und Grasel sollen von der kommenden Woche an die Anwälte der insgesamt vier mitangeklagten mutmaßlichen Terrorhelfer das Wort für ihre Plädoyers bekommen, gefolgt von den drei Altverteidigern Zschäpes, Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm. Wann das Gericht ein Urteil sprechen könnte, ist aber nach wie vor noch nicht abzusehen.

dpa/acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Plädoyers im NSU-Prozess: . In: Legal Tribune Online, 26.04.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28319 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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