Die Aufnahme von Lichtbildern und Fingerabdrücken kann auch noch bei einer Verfahrenseinstellung zulässig sein, sofern ein Restverdacht gegen den Beschuldigten besteht, entschied das OVG Rheinland-Pfalz.
Gleich in zwei Fällen musste das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (OVG) entscheiden, wann die Grenze erreicht ist, ab der erkennungsdienstliche Maßnahmen der Polizei gegen Beschuldigte im Ermittlungsverfahren unzulässig sind. Dabei stellte es fest, dass die Aufnahme von Lichtbildern und Fingerabdrücken auch dann zulässig sein kann, wenn die Staatsanwaltschaft das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts einstellt. Nötig sei dann aber ein "Restverdacht", wie die Koblenzer Verwaltungsrichter in den nun veröffentlichten Entscheidungen befanden (Urt. v. 24.09.2018, Az. 7 A 10084/18.OVG und 7 A 10256/18.OVG).
Gegen die polizeilichen Maßnahmen wehrten sich zwei Männer, die wegen Sexual- und Körperverletzungsdelikten angezeigt worden waren. Im ersten Fall stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren jedoch mangels hinreichenden Tatverdachts ein. Das OVG sah aber trotzdem keine Zweifel an der Zulässigkeit der erfolgten erkennungsdienstlichen Behandlung. Die Richter argumentierten, solche Maßnahmen seien nur dann unzulässig, wenn die Verdachtsmomente gegen den Betroffenen vollständig ausgeräumt seien oder der festgestellte Sachverhalt keinen Straftatbestand erfülle.
OVG: "Rückfallgefahr kann Zulässigkeit begründen"
Sei der Tatverdacht hingegen nicht völlig ausgeräumt, sondern nur eine Verurteilung unwahrscheinlich, und bestehe ein Restverdacht fort, so könne eine erkennungsdienstliche Behandlung des Beschuldigten notwendig sein. Bei dem Mann, dem die Staatsanwaltschaft die Begehung verschiedener Sexualdelikte vorwarf, sei dies der Fall. Denn zu berücksichtigen sei, dass es bei den in Rede stehenden Sexualdelikten statistisch gesehen häufig zu Rückfällen der Täter kommt. Eine Rückfallgefahr sei außerdem aus Gründen seiner Persönlichkeit zu befürchten, begründeten die Richter ihre Entscheidung.
Im zweiten Fall monierte das OVG hingegen die behördlichen Maßnahmen. Der zweite klagende Mann wurde wegen schwerer Misshandlung seines eigenen Kindes rechtskräftig verurteilt. Die erkennungsdienstliche Behandlung, die die Behörden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens vornahm, war aber trotzdem rechtswidrig, so das OVG. Sie sei nämlich nicht notwendig gewesen, um zur Aufklärung künftiger Straftaten beizutragen.
Denn soweit es um die Misshandlung des eigenen Kindes gehe, rücke der Mann als Vater in Zukunft sowieso in das Visier der Ermittlungsbehörden, ohne dass es dazu der Hinzuziehung der erkennungsdienstlichen Unterlagen bedürfe, wie das Gericht gegenüber LTO seine Entscheidung bestätigte. Im Übrigen fehlt es nach Auffassung der Richter an Anhaltspunkten, die die Sorge begründen, dass der Mann auch außerhalb seines privaten Umfeldes strafrechtlich in Erscheinung treten könnte.
Einen ähnlichen Fall entschied jüngst auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG). Es hatte die Frage zu klären, ob die Aufnahme von Fingerabdrücken rechtmäßig ist, wenn der Verdächtige im maßgeblichen Zeitpunkt gar nicht mehr als Beschuldigter im Sinne der Strafprozessordnung (StPO) gilt. Die Leipziger Richter bejahten dies mit der Begründung, die Fingerabdrücke könnten aufgrund der langen strafrechtlichen Vorgeschichte des Mannes noch zu einem späteren Zeitpunkt nützlich sein.
tik/LTO-Redaktion
OVG RP zur erkennungsdienstlichen Behandlung: . In: Legal Tribune Online, 15.11.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/32123 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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