OLG Schleswig-Holstein zu Schusswaffengebrauch der Polizei: Wer trägt die Beweis­last für das "Über­maßv­erbot"?

12.11.2021

Soweit Beamte unmittelbaren Zwang ausüben dürfen, müssen die Betroffenen die Beweislast für das "Übermaßverbot" tragen. So das OLG Schleswig-Holstein zu einem Schusswaffengebrauch der Polizei.

Wird jemand durch einen von einem Polizeibeamten abgegebenen Schuss verletzt, so muss der Verletzte  beweisen, dass die Polizei durch die Abgabe des Schusses das "Übermaßverbot" verletzt  hat. Das ist zumindest der Fall,  wenn die Polizei  zur  Ausübung unmittelbaren Zwangs berechtigt  war. Das hat der 11. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (OLG) entschieden (Urt. v. 11.11.2020, Az. 11 U 92/20).

Ein Mann war in seiner Wohnung durch den Schuss  einer  Polizistin  verletzt worden, dafür wollte er das Land  auf  Schadensersatz  wegen einer Amtspflichtverletzung in Anspruch nehmen. Jedoch sind die Einzelheiten rund um die Schussabgabe, wie das Vorliegen einer Notwehrlage auf Seiten der Polizistin, zwischen den Parteien streitig. 

Auch in erster Instanz vor dem Landgericht Kiel (LG) konnte nicht festgestellt werden, ob die Schilderung des Mannes oder vielmehr die Schilderung des Landes zutrifft. Das LG hatte sodann das Land u.a. zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 22.500  Euro verurteilt.  Es  hatte  angenommen, dass die Beweislast für das Bestehen einer Notwehrlage beim beklagten Land liege, weil die Polizistin eine Körperverletzung begangen habe.  

In zweiter Instanz hatte jedoch nun das Land Erfolg. Dem Mann stehe ein Amtshaftungsanspruch gegen das beklagte Land nicht zu, urteilte das Gericht. Der Umstand, dass nicht festgestellt werden kann, ob die Schilderung des Mannes oder vielmehr die Schilderung des beklagten Landes zur Abgabe des Schusses zutrifft, wirkt sich zu Lasten des Mannes aus. Die Polizistin hatte im Zeitpunkt der Abgabe des Schusses allen Grund zu der Befürchtung, dass  der  Mann von einer seiner Schusswaffen Gebrauch machen würde. Er drohte nämlich die Polizistin und ihre Kollegen umzubringen. Die  Polizistin war deshalb zur Ausübung unmittelbaren Zwangs berechtigt. Bei dieser Sachlage  müsse der Mann beweisen,  dass  die  Polizistin  den  Schuss nicht  hätte abgeben  dürfen.  Diesen  Beweis  hat der Mann aber nicht führen können.  

cp/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

OLG Schleswig-Holstein zu Schusswaffengebrauch der Polizei: . In: Legal Tribune Online, 12.11.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46645 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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