OLG Koblenz zur überlangen Verfahrensdauer: Ein­ge­s­tellter Neo­nazi-Mam­mut­pro­zess wird neu auf­ge­rollt

06.12.2017

Nach 337 Verhandlungstagen im ersten Anlauf wurde der fast fünfjährige Prozess gegen mutmaßliche Neonazis am LG Koblenz eingestellt. Das OLG Koblenz entschied nun, dass es weiter geh, das LG muss nun von vorn beginnen.

Einer der umfangreichsten Neonazi-Prozesse in Deutschland muss neu aufgerollt werden. Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz hat auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft hin die spektakuläre Einstellung des Verfahrens aufgehoben, wie OLG-Sprecher Christoph Syrbe der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch mitteilte. Das Verfahren sei fortzusetzen.

Das Landgericht Koblenz hatte den Prozess Ende Mai nach 337 Verhandlungstagen wegen der "überlangen Verfahrensdauer" von fast fünf Jahren eingestellt - ohne Entscheidung. Hintergrund war, dass der Vorsitzende Richter Hans-Georg Göttgen kurz darauf in Pension ging und es keinen Ergänzungsrichter mehr gab.

Das Verfahren zu Straftaten aus dem Umkreis der mutmaßlich rechtsextremen Organisation Aktionsbüro Mittelrhein hatte im Sommer 2012 gegen ursprünglich 26 Angeklagte begonnen. Zuletzt waren es nur noch 17 gewesen. Die fast 1000-seitige Anklage lautete auf Bildung einer kriminellen Vereinigung, Körperverletzung und Sachbeschädigung.

Lange Verfahrensdauer kein Grund für Einstellung

In dem Prozess kam es laut OLG-Sprecher Syrbe zu mehr als 500 Befangenheitsanträgen, gut 240 Beweisanträgen und über 400 Anträgen zum Verfahrensablauf. Die Staatsschutzkammer des Landgerichts hatte den vielen Anwälten vorgeworfen, den Prozess "erfolgreich zu sabotieren" und künstlich in die Länge zu ziehen. Auch ansonsten gab es viele eigenartige Momente während den Verhandlungen: Einer der 34 Verteidiger trug einen Antrag in Reimform vor, Stinkbomben erzwangen eine Saalräumung und ein Schöffe schied aus dem Verfahren aus, weil er der Anklage vor Weihnachten Schokoladen-Nikoläuse auf den Tisch gestellt hatte.

Durch die bisherige Dauer des Strafverfahrens sei ein Verfahrenshindernis wegen überlanger Dauer des Prozesses nicht entstanden, teilte das OLG mit. Die Verteidiger hätten von ihren rechtsstaatlichen Möglichkeiten Gebrauch gemacht. Der Staatsanwaltschaft und der Staatsschutzkammer sei keine Verzögerung vorzuwerfen.

Nun muss das Landgericht Koblenz wieder von null angefangen - wobei nach und nach droht, dass manche Vorwürfe der Anklage verjähren.

dpa/acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

OLG Koblenz zur überlangen Verfahrensdauer: . In: Legal Tribune Online, 06.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25877 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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