Der BGH hat es vorgemacht, nun zieht das OLG Karlsruhe nach: In einem Hinweisbeschluss erklärt das Gericht, VW habe Diesel-Kunden sittenwidrig geschädigt. Der Wind scheint sich weiter gegen den Autobauer zu drehen.
Für den niedersächsischen Autobauer wird es zunehmend eng in der Abgasaffäre. Erst kürzlich tat der Bundesgerichtshof (BGH) etwas Ungewöhnliches und ging, nachdem sich einmal mehr ein Verfahren durch Vergleich erledigt hatte, mit dem Hinweisbeschluss, der dem Vergleich zugrunde lag, an die Öffentlichkeit. Der Bundesgerichtshof erklärte, bei der unzulässigen Abschalteinrichtung in den VW-Diesel-Fahrzeugen handele es sich nach bisheriger Bewertung um einen Mangel (Az. VIII ZR 225/17). Ein deutliches Signal zwar, aber doch für viele VW-Kunden noch nicht hilfreich. Denn das Verfahren vor dem BGH betraf nur kaufrechtliche Ansprüche gegen Händler, nicht gegen den Hersteller. Diese dürften, sofern nicht schon geltend gemacht, in den meisten Fällen zwischenzeitlich an der Verjährung scheitern. Dennoch erregte diese Botschaft aus Karlsruhe, die ohne Not veröffentlicht worden war, große Aufmerksamkeit.
Am Dienstag nun meldete sich auch das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe mit einer Pressemitteilung zu Wort. Auch deren Titel verheißt Spannung: "Termin in einer Klage wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gegen die Volkswagen AG am 12. April 2019 und ausführlicher Hinweisbeschluss". Den Beschluss hat das OLG - im Gegensatz zum BGH - nicht veröffentlicht, er war am Dienstag auch nicht mehr zu bekommen. Doch das Wesentliche teilt das OLG mit: Die Karlsruher Zivilrichter halten in dem Berufungsverfahren, für das der Termin anberaumt wurde (13 U 142/18), Schadensersatzansprüche eines VW-Kunden für begründet.
Dabei ging es nicht etwa, wie noch vor dem BGH, um einen Prozess gegen einen VW-Händler. Die Aussage des OLG bezieht sich vielmehr auf den behaupteten Anspruch eines Käufers direkt gegen den Hersteller, den er auf eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch den Einbau der Abschaltvorrichtung stützt, die dafür sorgt, dass das Auto auf dem Prüfstand andere Messwerte auswirft als im Echtbetrieb. Grundlage dafür ist §§ 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Ebenfalls in Erwägung zieht das Gericht eine Haftung für einen Verrichtungsgehilfen aus § 831 BGB. Die genaue Begründung des Gerichts ließ sich am Dienstag zwar nicht mehr in Erfahrung bringen, doch sind die Streitpunkte im Wesentlichen bekannt.
Deliktische Ansprüche mit längerer Verjährungsfrist
Im Februar noch hatte das OLG Braunschweig eine Klage unmittelbar gegen VW, unterstützt vom Prozessfinanzierer Myright, abgewiesen, u. a. weil man eine sittenwidrige Schädigung nicht erkennen könne. Diese Auffassung begründeten die Braunschweiger Richter damit, dass die Abschaltvorrichtung keine Vorschriften verletze, die den individuellen Schutz des Klägervermögens bezweckten, weshalb die Voraussetzungen einer deliktischen Haftung nicht vorlägen.
Käufer von VW-Dieseln dürften nun aber aufmerken. Sollte sich die Auffassung des Karlsruher 13. Zivilsenats durchsetzen, würden ihnen damit neue Vorgehensmöglichkeiten eröffnet. Denn im Gegensatz zum Kaufrecht, wo in derartigen Fällen eine zweijährige Verjährungsfrist gilt, bewegt man sich hier im Deliktsrecht mit einer dreijährigen Frist. Zudem beginnt diese nicht schon bei Lieferung des Pkw zu laufen, sondern gem. § 199 Abs. 1 BGB erst dann, wenn der Käufer von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt. Alleine steht der Senat mit seiner Auffassung im Übrigen nicht. Schon das OLG Köln hatte im Januar eine sittenwidrige Schädigung durch VW bejaht und auch diverse Landgerichte (LG), u. a. in Heilbronn und Frankfurt, haben § 826 BGB schon für einschlägig befunden. In der nun vom OLG Karlsruhe terminierten Sache hatte zuvor das LG Offenburg ebenfalls einen Schadensersatzanspruch wegen sittenwidriger Schädigung angenommen und VW zur Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung verurteilt (3 O 111/17).
Erst am Dienstag hat zudem das OLG Stuttgart entschieden, dass VW-Zulieferer Bosch, der auch für die manipulierten Software-Module in den Autos verantwortlich zeichnet, als Teilnehmer einer sittenwidrigen Schädigung der Diesel-Kunden in Betracht komme. Hintergrund war die Frage, ob Bosch als Zeuge in einem Diesel-Verfahren ein Zeugnisverweigerungsrecht zustehe. In dieser Entscheidung lag zwar keine klare Äußerung einer Rechtsauffassung, wie sie nun das OLG Karlsruhe äußert. Für plausibel hielt man deliktische Ansprüche gegen VW aber offenbar schon.
Das alles sind nur einzelne Entscheidungen und Hinweise, die Rechtsprechung in Sachen VW-Diesel bleibt alles andere als absehbar, zumal es um ganz unterschiedliche Fallkonstellationen geht. Doch zumindest in den vergangenen Tagen scheint das juristische Pendel sich eher den VW-Kunden zuzuneigen als dem Autobauer.
Hinweisbeschluss in Diesel-Verfahren: . In: Legal Tribune Online, 05.03.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34207 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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