Im vergangenen Jahr trendete der Hashtag #twittersperrt, weil die Plattform satirische Tweets in Richtung AfD-Wähler sperrte. Bereits die Landgerichte hielten das für rechtswidrig. Nun hat Twitter seine Berufungen zurückgenommen.
Die Aufforderung an AfD-Wähler, ihren Wahlzettel zur Europawahl 2019 zu unterschreiben, ist vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung geschützt. Der Kurznachrichtendienst Twitter hätte Nutzer, die die satirische Empfehlung auf der Plattform verbreiteten, deshalb nach Ansicht des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden und OLG Nürnberg nicht sperren dürfen. Das geht aus zwei Entscheidungen (OLG Dresden, Hinweisbeschl. v. 07.04.2020, Az. 4 U 2805/19; OLG Nürnberg, Hinweis. v. 06.04.2020, Az. 3 U 4566/19) hervor, welche die Kanzlei Spirit Legal am Dienstag veröffentlichte. Die Anwälte aus Leipzig vertreten die klagenden, von den Sperrungen betroffenen Nutzer. Twitter nahm daraufhin Berufungen gegen zwei Landgerichtsurteile gleichen Inhalts zurück, wie die jeweiligen Gerichtssprecher gegenüber LTO bestätigten.
Bereits das Landgericht (LG) Dresden und das LG Nürnberg-Fürth hatten Twitter erstinstanzlich zur Unterlassung von Nutzersperren verpflichtet. Gesperrt hatte das Unternehmen vor der Europawahl Twitterer, die mit satirischen Tweets in Richtung AfD-Wähler vorgeschlagen hatten, dass diese ihre Wahlzettel unterschreiben sollten – was sie ungültig gemacht hätte. Twitter berief sich dabei auf seine eigene "Richtline zur Integrität von Wahlen".
Gerichte: Offensichtlich Satire
Nach Auffassung der beiden OLG war dies jedoch rechtwidrig. Die Tweets hätten die Twitter-Richtlinie nicht verletzt. Auch für den flüchtigen Leser sei erkennbar, dass eine Empfehlung, die sich nur an Wähler einer bestimmten Partei richtet, nicht ernst gemeint sein könne, so die Dresdener Richter. Die Kollegen in Nürnberg sahen das ähnlich: Es erscheine realistischerweise ausgeschlossen, "dass ein Wähler allein aufgrund einer derartigen Kurznachricht einen Stimmzettel unterschreibt, obwohl dort kein Hinweis auf dieses Erfordernis abgedruckt und kein Platz für die Unterschrift vorgesehen ist". Laut Gericht würden daher spätestens in der Wahlkabine Zweifel an der Richtigkeit und Ernsthaftigkeit des Hinweises auftreten.
Anwalt Dr. Jonas Kahl von Spirit Legal begrüßte die Beschlüsse zugunsten seiner Mandanten: "Die einstweiligen Verfügungsverfahren haben damit nach fast einem Jahr und zwei Instanzen ein erfolgreiches Ende gefunden".
Die Nutzersperre zur Europawahl beschäftigte die Gerichte nicht nur in Dresden und Nürnberg. Auch am LG München I war man bereits im Juli 2019 der Ansicht, dass Twitter mit der Löschung gegen vertragliche Nebenpflichten verstoßen habe.
acr/LTO-Redaktion
#Twittersperrt: Twitter nimmt Berufungen zurück: . In: Legal Tribune Online, 19.05.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41666 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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