Der Nationale Normenkontrollrat hat am Montag seinen aktuellen Jahresbericht 2015 vorgelegt. Obwohl die Kosten für die Umsetzung neuer gesetzlicher Regelungen erstmals seit Evaluierung gesunken sind, braucht es mehr Digitalisierung.
Nach dem Bericht des Nationalen Normenkontrollrates (NKR) sind die Folgekosten von Gesetzen für Bürger, Wirtschaft und Verwaltung in den vergangenen zwölf Monaten insgesamt erstmals um 685 Millionen Euro gesunken. Dagegen waren sie in den Jahren zuvor insbesondere für die Wirtschaft kontinuierlich angestiegen - im vorigen Berichtszeitraum um 9,2 Milliarden Euro. Die Absenkung in 2015 sei u.a. auf das Bürokratieentlastungsgesetz 2015 zurückzuführen. Aber auch E-Government-Maßnahmen wie die Einführung der elektronischen Vergabe durch das Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts hätten für Entlastungen gesorgt, teilte das Gremium mit.
Der NKR hatte 2011 erstmals einen Bericht über die Erfüllungskosten von Gesetzesvorhaben verfasst. Das beim Bundeskanzleramt im Jahre 2006 eingerichtete unabhängige Beratungs- und Kontrollgremium der Bundesregierung soll dafür sorgen, dass bei gesetzlichen Regelungen die Folgekosten für Bürger, Unternehmen und Verwaltung deutlich und nachvollziehbar ausgewiesen werden. Der NKR nimmt auch Stellung zu Gesetzentwürfen.
Kostenausgleich als Selbstverpflichtung
Der aktuelle Bericht enthält Informationen zu Bürokratie- und Kostenbelastungen neuer gesetzlicher Regelungen der Bundesregierung im Berichtszeitraum Juli 2014 bis Juni 2015. Er steht unter dem Motto "Chancen für Kostenbegrenzung verbessert. Digitale Chancen tatsächlich nutzen!".
"Der erstmalige Abwärtstrend der gesetzlichen Folgekosten in 2015 beweist, dass gezielte Maßnahmen zu Begrenzung und Abbau unnötiger Bürokratie tatsächlich Wirkung zeigen", sagte der Vorsitzende des NKR, Dr. Johannes Ludewig. Hoffnung, diesen Trend zu verstetigen, liege insbesondere auf der im Juli eingeführten 'One in one out'-Regel. Diese bedeutet: Wird eine gesetzliche Regelung verabschiedet, deren Folgekosten die Wirtschaft belasten, muss grundsätzlich an anderer Stelle eine gleichwertige Entlastung der Wirtschaft geschaffen werden.
Die Bundesregierung hat mit dieser Regel eine Anregung des NKR aus dem Herbst 2014 aufgegriffen und ist damit erstmals die Selbstverpflichtung eingegangen, den Erfüllungsaufwand grundsätzlich nicht weiter ansteigen zu lassen. Ludewig nannte diese seit Juli geltende Deckelung eine Revolution. "Das ist schon sehr ehrgeizig und ambitioniert". Es sei für eine Regierung recht mutig, sich freiwillig unter Druck zu setzen. In Europa gebe es nichts Vergleichbares, allenfalls ein ähnliches Modell in Großbritannien. Einen Rückgang der Folgekosten habe es noch nie gegeben. Das spreche für eine gewisse Kostendisziplin.
Einheitliche elektronische Akte für Asylbewerber
Kritisch sieht der Nationale Normenkontrollrat, dass E-Government in Deutschland zu langsam vorankomme. "Es gibt so gut wie keinen Regelungsbereich mehr, in dem digitale Lösungen keine Rolle spielen. Rechtliche Vorgaben müssen daher immer auch E-Government-tauglich sein. Es fehlt jedoch an wirksamen Entscheidungsstrukturen, damit einheitliche und schnelle digitale Lösungen über die Verwaltungsebenen hinweg für Bürgerinnen und Wirtschaft angeboten werden können", so Ludewig.
Dieses große Defizit werde auch und gerade bei der Bewältigung der großen Zahl in Deutschland ankommender Flüchtlinge mehr als deutlich. "Eine einheitliche elektronische Akte für jeden Flüchtling, die von Anfang bis Ende des Anerkennungsverfahrens von Bund, Ländern, Kommunen und Polizei gleichermaßen genutzt wird, gibt es bis heute nicht – was zu erheblichen Zeitverzögerungen und Mehrkosten führt, die komplett hausgemacht sind. Mit anderen Worten: Deutschland muss hier dringend besser werden und darf nicht der Entwicklung in Wirtschaft und Gesellschaft hinter-herlaufen", sagte Ludewig.
Mit Blick auf die zukünftige Entwicklung enthält der Jahresbericht Vorschläge, insbesondere zu einer stärker vollzugsorientierten Gesetzgebung, einer engeren Zusammenarbeit von Kommunen, Ländern und Bund bei der Ermittlung von Folgekosten, zu mehr Kostentransparenz auch bei der EU-Gesetzgebung und zur Evaluation von Regelungen. Als Beispiel für eine erforderliche Ausweitung der Digitalisierung der Bürokratie nennt der NKR das Wohngeld: Es sei nötig, die Formulare von Bund, Länder und Kommunen zu harmonisieren und vor allem die Antragsverfahren elektronisch abzuwickeln.
tap/LTO-Redaktion mit Material von dpa
Bericht des Nationalen Normenkontrollrats: . In: Legal Tribune Online, 19.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17255 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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