LG München spricht "Badewannen-Mörder" frei: 13 Jahre unrecht­mäßig im Gefängnis

07.07.2023

Manfred Genditzki saß 13 Jahre zu Unrecht im Gefängnis für einen Mord, der womöglich gar keiner war. Im neu aufgerollten Prozess sprach das LG München I ihn nun frei. Auch eine Entschädigung wird er erhalten.

Im Münchner Prozess um den sogenannten Badewannen-Mord von Rottach-Egern ist der angeklagte Manfred Genditzki freigesprochen worden. Das Landgericht (LG) München I hatte sogar Zweifel daran, dass überhaupt eine Straftat stattgefunden hat (Urt. v. 07.07.2023, Az. 1 Ks 121 Js 158369/19). Genditzki hatte für die vermeintliche Tat rund 13 Jahre im Gefängnis gesessen und jahrelang für ein Wiederaufnahmeverfahren gekämpft, bis endlich neue Beweismittel ans Licht kamen, die ihn entlasteten.

"Jetzt ist es soweit. Sie haben den Tenor gehört, auf den Sie fast 14 Jahre lang gewartet haben", sagte die Vorsitzende Richterin Elisabeth Ehrl am Freitag bei der Verkündung. Es sei ein steiniger Weg für den Angeklagten gewesen, den er mit bewundernswerter Geduld gegangen sei. Die Staatskasse müsse ihn für die zu Unrecht verhängte Gefängnisstrafe entschädigen. Genditzki nahm das Urteil ruhig und gefasst auf, im Zuschauerraum gab es Tränen.

Nicht nur die Verteidigung, auch die Staatsanwaltschaft hatte einen Freispruch gefordert, weil es nicht nur Zweifel daran gibt, dass Genditzki den Mord an einer alten Frau auch tatsächlich begangen hat, sondern auch daran, dass es überhaupt ein Verbrechen gab. Aus Sicht von Gutachtern, die in dem Prozess zu Wort kamen, ist ein Unfall der Seniorin möglich oder sogar wahrscheinlich.

Viel verpasst: Ist die Entschädigung zu niedrig?

Der inzwischen 63 Jahre alte Genditzki, der in der Wohnanlage der Getöteten als Hausmeister tätig war, war 2010 vom Landgericht München II zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Nach Überzeugung des Schwurgerichts hatte er die Seniorin im Oktober 2008 in deren Wohnung im oberbayerischen Rottach-Egern nach einem Streit auf den Kopf geschlagen und dann in der Badewanne ertränkt. Er hat die Vorwürfe stets bestritten – so auch in seinem letzten Wort im neuen Prozess.

Nach dem Freispruch am Freitag zeigte sich Genditzki erleichtert. Aber: "Ich werde keine Freudensprünge machen." Einen Grund zum Jubeln habe er nicht, "14 Jahre sind weg". Dieser Umstand hatte auch die Vorsitzende Richterin sichtlich ergriffen, die zum Schluss mit den Tränen zu kämpfen schien. "Es tut uns wirklich aufrichtig leid", sagte sie – "dass Sie mitten aus Ihrem normalen Leben gerissen wurden", dass es Genditzki nicht vergönnt gewesen sei, "Ihre beiden jüngeren Kinder aufwachsen zu sehen, zur Beerdigung Ihrer Mutter zu gehen".

Nach dem Urteil stehen Genditzki zwar Entschädigungszahlungen zu. Kritiker halten die allerdings für viel zu gering. Nach Angaben des Justizministeriums bekommt ein zu Unrecht Inhaftierter 75 Euro Entschädigung pro unrechtmäßigem Haft-Tag. Das wären in Genditzkis Fall insgesamt 368.400 Euro für 13 Jahre, in denen er seine Kinder nicht sah und die Geburt des Enkelkindes verpasste. Bis Ende 2020 lag der Satz sogar nur bei 25 Euro pro Tag. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) fordert schon seit Jahren einen Tagessatz von 100 Euro, zuletzt in einer Mitteilung vom September 2022, in der der DAV Pläne von Justizminister Marco Buschmann (FDP) zur Reformierung der Gefangenenentschädigung begrüßte.

Zusätzlich zur Entschädigung kann Genditzki noch Ersatz materiellen Schadens geltend machen, beispielsweise wegen Verdienstausfalls. Das alles kompensiert freilich nicht für die verlorene Zeit: Der "Badewannen-Fall" befeuert auch die von Katharina Reisch kürzlich auf LTO zusammengefasste Debatte darüber, wie sich derartige Fehlurteile von vornherein verhindern lassen.

mk/dpa/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

LG München spricht "Badewannen-Mörder" frei: . In: Legal Tribune Online, 07.07.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52179 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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