Familienrichter am AG Weimar: Pro­zess­auf­takt ver­schoben

von Tanja Podolski

14.04.2023

Wenige Tage vor dem angesetzten Prozessauftakt gegen einen Familienrichter am AG Weimar wegen des Verdachts der Rechtsbeugung hat das LG Erfurt den Termin aufgehoben. Das Gericht hat einen zweiten Verteidiger bestellt.  

Kommende Woche Dienstag sollte die Hauptverhandlung gegen einen Familienrichter am Amtsgericht (AG) Weimar beginnen. Doch am Freitag hat das Landgericht (LG) Erfurt den Termin und damit auch die weiteren neun bereits festgesetzten Fortsetzungstermine aufgehoben. Als Grund nannte das Gericht "die Bestellung eines weiteren Verteidigers zur Verfahrensabsicherung". 

Der Richter ist wegen Rechtsbeugung gem. § 339 Strafgesetzbuch (StGB) angeklagt. Der Mann hatte vor fast genau zwei Jahren – in der Hochzeit der Pandemie und der Schutzmaßnahmen gegen mögliche Infektionen – im Rahmen einer Kindschaftssache für alle Kinder an zwei Schulen fast jegliche Schutzmaßnahmen für beendet erklärt (Beschl. v. 08.04.2021, Az. 9 F 148/21). Die Kinder sollten keine Masken mehr tragen, keine Abstände einhalten und nicht an Schnelltests teilnehmen. Nur ein Lüften der Klassenzimmer blieb nach den Vorstellungen des Richters erlaubt. Er begründete dies mit der Sicherstellung des Kindeswohls nach § 1666 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).  

Allerdings sind für rechtliches Vorgehen gegen hoheitliche Maßnahmen die Verwaltungsgerichte zuständig, der Familienrichter hatte seine eigene Zuständigkeit gleichwohl angenommen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) hatte dieses Vorgehen als "ausbrechenden Rechtsakt" bezeichnet. 

Das Oberlandesgericht hatte die Entscheidung in der Folge aufgehoben, zudem folgten Durchsuchungen u.a. im AG Weimar und in den Privaträumen des Familienrichters. Schließlich erhob die Staatsanwaltschaft Anklage wegen Rechtsbeugung in zwei tateinheitlichen Fällen nach §§ 339, 52 StGB.  

Pflichtverteidiger auf Antrag der Verteidigung beigeordnet

Die erste Verhandlung sollte in einem kleinen Saal des LG Erfurt stattfinden. Angesetzt waren insgesamt zehn Verhandlungstermine, bis Anfang Juli war terminiert. Freitagvormittag hat der Vorsitzende Richter nun einen zweiten Verteidiger als Pflichtverteidiger bestellt, teilte der Pressesprecher des Gerichts, Burkhard Keske, mit. 

Beigeordneter Pflichtverteidiger ist der Strafrechtler und Fachanwalt für Strafrecht Peter Tuppat aus Jena. Der hatte am Mittwoch, nach entsprechender Absprache mit dem längst vom Familienrichter als Wahlverteidiger mandatierten Hamburger Strafverteidiger Gerhard Strate, den Antrag auf Beiordnung nach § 140 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) selbst gestellt. Das sei insbesondere in Süddeutschland ein übliches Vorgehen, heißt es. Dies gilt vor allem, wenn der Wahlverteidiger wie hier weiter entfernt sitzt und eine entsprechend lange Anreise hat. "Es ist also in meinem Sinn, einen weiteren Kollegen von vor Ort dabei zu haben, um den reibungslosen Verfahrensablauf sicherstellen zu können", sagt Strate gegenüber LTO. Der Vorsitzende Richter hat laut LG Erfurt die entsprechenden Beschlüsse bereits erlassen, die nun noch den Beteiligten zugestellt werden müssen. 

Womöglich kommt diese Entwicklung dem Gros der Verfahrensbeteiligten durchaus entgegen: Beim Oberlandesgericht in Jena läuft noch ein Beschwerdeverfahren in Bezug auf die Beschlagnahmeverfügungen. Diese hatte Verteidiger Strate schon früher als rechtswidrig eingeordnet. Es wäre naheliegend, den Ausgang dieses Verfahrens abzuwarten, bevor ein Strafprozess gegen den Richter beginnt. 

Der allerdings ist bereits seit Januar vom Dienst suspendiert.

Zitiervorschlag

Familienrichter am AG Weimar: . In: Legal Tribune Online, 14.04.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51544 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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