Ein Anwalt soll über 200.000 Euro dafür kassiert haben, im NSU-Prozess eine erfundene Nebenklägerin vertreten zu haben, die es in Wahrheit gar nicht gab. Im August steht er wegen Betrugs in Aachen vor Gericht.
Der Rechtsanwalt einer wohl erfundenen Nebenklägerin im Münchner NSU-Prozess steht von August an in Aachen unter anderem wegen Betruges vor Gericht. Der Anwalt soll beim NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München ein angebliches Opfer des Nagelbombenanschlags vom Juni 2004 in der Kölner Keupstraße vertreten haben, das es in Wirklichkeit gar nicht gab. Dafür soll er von 2013 bis 2015 zu Unrecht Zahlungen von insgesamt mehr als 200.000 Euro erhalten haben, wie das Landgericht (LG) Aachen am Montag mitteilte.
Der Prozess beginnt den Angaben nach am 7. August. Angeklagt ist der Anwalt auch wegen mutmaßlicher Straftaten im Zusammenhang mit dem Prozess um die Loveparade-Katastrophe in Duisburg, bei der vor zehn Jahren 21 Menschen starben.
Beim NSU-Prozess soll ein echter, mittlerweile verstorbener Nebenkläger dem 52-jährigen Anwalt gefälschte Unterlagen des nicht existenten Opfers gegen eine Provision angeboten haben, wie ein Gerichtssprecher mitteilte. Obwohl dem Anwalt klar gewesen sei, dass die Unterlagen wie etwa ein ärztliches Attest gefälscht waren, habe er sie beim Oberlandesgericht eingereicht.
Durch bewusste Täuschung habe der Mann außerdem vom Bundesamt für Justiz daraufhin eine pauschale Härteleistung als Opfer eines extremistischen Übergriffs in Höhe von 5.000 Euro bezogen, so die Anklage. Dem Anwalt werden unter anderem Betrug, versuchter Betrug, Urkundenfälschung und Anstiftung zur falschen Versicherung an Eides statt vorgeworden. Der Anwalt war für eine Stellungnahme am Montag zunächst nicht zu erreichen.
Anwalt soll auch versucht haben, ein vermeintliches Loveparade-Opfer zu vertreten
Zu Beginn der staatsanwaltlichen Ermittlungen 2015 hatte er über einen eigenen Anwalt erklären lassen, er sei von einem anderen NSU-Geschädigten getäuscht worden. Dieser Mann habe ihm ein Foto des vermeintlichen Opfers vorgelegt und für die Vermittlung der Mandantin eine Provision verlangt.
Im Loveparade-Prozess vor dem Landgericht Duisburg soll der 52-jährige Rechtsanwalt aus Eschweiler versucht haben, ein vermeintliches Opfer der Techno-Party zu vertreten. Dabei war ihm aber laut Anklage bewusst, dass der Betroffene wahrheitswidrig eine Erkrankung als Folge der Loveparade-Katastrophe nur vorgeschoben habe, teilte das Gericht mit.
Als die Staatsanwaltschaft Duisburg dann ärztliche Belege zum Nachweis der Betroffenheit einforderte, soll der Anwalt Mutter und Schwester des Mannes aufgefordert haben, mit eidesstattlichen Versicherungen die falschen Angaben zu bestätigen.
dpa/acr/LTO-Redaktion
Mehr als 200.000 Euro abkassiert: . In: Legal Tribune Online, 20.07.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42258 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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