Am Dienstag fand eine Hausdurchsuchung bei einem Mann statt, der Autor eines beleidigenden Memes sein soll. Brisant: Die "Schwachkopf"-Aussage richtet sich gegen den Bundeswirtschaftsminister. Es gibt noch einen Vorwurf, der schwerer wiegt.
Auf X tauchte im Sommer ein Meme auf, mit dem Wirtschaftsminister Habeck als "Schwachkopf" bezeichnet wurde. Dafür soll ein 64-Jähriger aus dem aus dem unterfränkischen Landkreis Haßberge verantwortlich sein, so sieht es die Staatsanwaltschaft Bamberg. Die ließ am Dienstag die Wohnung des Mannes durchsuchen und beschlagnahmte dabei ein Tablet. Den Strafantrag hat Habeck selbst gestellt.
Über die Durchsuchung hatten zuvor einige Medien berichtet. Das Portal NiUS veröffentlichte eine Ablichtung eines Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts Bamberg von Anfang August. Einleitend heißt es dort, das Ermittlungsverfahren werde wegen Volksverhetzung geführt, das Gericht bejahte hinsichtlich des Memes aber nur den Tatbestand der gegen eine Person des politischen Lebens gerichteten Beleidigung nach §§ 185, 188 Strafgesetzbuch (StGB). Dass Habeck Strafantrag gestellt hatte, ergab sich daraus zunächst nicht.
Die Staatsanwaltschaft äußerte sich erst am Freitagvormittag öffentlich zu dem Fall. Per Mitteilung bestätigte sie die Durchsuchung vom Dienstag sowie Habecks Strafantrag. Das "Schwachkopf"-Meme falle unter §§ 185, 188 StGB. Der Vorwurf der Volksverhetzung nach § 130 StGB beruhe dagegen auf einem zweiten Sachverhalt. Auf eine entsprechende LTO-Anfrage hierzu hatte die Behörde am Mittwoch "aus ermittlungstaktischen Gründen" noch nicht antworten wollen. Die Mitteilung lässt überdies Fragen offen.
Spezielle Politiker-Beleidigung?
Dem 64-jährigen Mann wird vorgeworfen, auf X eine Bilddatei hochgeladen zu haben, die ein Porträtfoto Habecks zeigte. Darunter war demnach zu lesen: "Schwachkopf PROFESSIONAL". Eine Anspielung auf die Haarstyling-Marke "Schwarzkopf Professionell", deren Schriftart das Meme auch nutzte. Dass kann durchaus eine einfache Beleidigung sein. Diese wäre gemäß § 194 StGB tatsächlich nur auf Antrag verfolgbar.
Doch Staatsanwaltschaft und Amtsgericht Bamberg gehen ferner von einer Beleidigung einer "im politischen Leben des Volkes stehenden Person" aus. Diesen Qualifikationstatbestand gibt es in dieser Form erst seit 2021, ist er erfüllt, erhöht sich die Höchststrafe von einem auf drei Jahre Freiheitsstrafe. Dass Habeck als Wirtschaftsminister eine solche Person des politischen Lebens ist, dürfte klar sein. Allerdings steht der Tatbestand unter zusätzlichen Voraussetzungen: Die Beleidigung muss öffentlich und aus Beweggründen begangen sein, "die mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben zusammenhängen". Das lässt sich hier sicherlich bejahen.
Jedoch muss die Tat auch geeignet sein, das "öffentliche Wirken" der beleidigten Person "erheblich zu erschweren". Ob das bei einem solchen Bild schon anzunehmen ist, darf man immerhin bezweifeln. Nähere Ausführungen dazu machte das AG Bamberg in seinem Durchsuchungsbeschluss nicht. Wären die Voraussetzungen erfüllt, bräuchte es einen Strafantrag theoretisch nicht.
Vorwurf der Volksverhetzung beruht auf mutmaßlich antisemitischem Post
Der 64-Jährige sieht sich laut Staatsanwaltschaft noch mit einem anderen Vorwurf konfrontiert: Demnach soll er im Frühjahr 2024 auf X eine Bilddatei hochgeladen haben, auf der ein "SS- oder SA-Mann mit dem Plakat und der Aufschrift 'Deutsche kauft nicht bei Juden' sowie u.a. der Zusatztext 'Wahre Demokraten! Hatten wir alles schon mal!' zu sehen ist".
Dieser Post erfüllt nach Auffassung der Staatsanwaltschaft den Tatbestand der Volksverhetzung. Die genaue Variante des § 130 StGB teilte sie nicht mit. In Betracht kommt sowohl ein Aufstacheln zum Hass (Abs. 1 Nr. 1) gegen Juden in Deutschland als auch eine Billigung oder Verherrlichung der NS-Willkürherrschaft (Abs. 4). Allerdings ist über den Kontext der Äußerung nichts bekannt. Die Süddeutsche Zeitung vernimmt aus bayerischen Justizkreisen, dass der Mann mit der Äußerung "hatten wir alles schon mal" einen Boykott-Aufruf im Internet kommentierte und damit eher vor NS-Zuständen warnen als diese billigen wollte. Das wäre dann ein historisch fragwürdiger Bezug, aber wohl keine antisemitische Hetze.
Die Bamberger Staatsanwaltschaft gab an, die Durchsuchung habe im Zusammenhang mit einem bundesweiten Aktionstag gegen antisemitische Hasskriminalität im Netz gestanden. Laut Mitteilung der Staatsanwaltschaft ist dieser zweite, vermeintlich antisemitische Fall allerdings gar nicht Grundlage der Hausdurchsuchung gewesen. Auch aus dem von NiUS fast vollständig abgelichteten Beschluss des AG Bamberg ist dazu nichts zu lesen. Den Beschluss haben weder Staatsanwaltschaft noch das Gericht LTO zur Verfügung gestellt.
Hausdurchsuchung nur wegen Beleidigung verhältnismäßig?
Diskussionen kamen daher auf über die Verhältnismäßigkeit der Durchsuchung. Das "Schwachkopf"-Meme halten viele für zu harmlos, um einen derartigen Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung zu rechtfertigen. Eine Beschränkung der Hausdurchsuchung auf mittelschwere bis schwere Kriminalität nehmen die §§ 102 ff. der Strafprozessordnung aber nicht vor. Tatbestandlich genügt auch ein Anfangsverdacht wegen einer geringfügigen Tat. Allerdings gilt wie stets bei staatlichen Maßnahmen der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unmittelbar. Ausweislich des auf NiUS veröffentlichten Beschlusses hat sich das AG Bamberg mit der Frage nicht vertieft auseinandergesetzt, sondern die Maßnahmen lediglich für notwendig und angemessen erachtet.
Auch Habeck wurde dafür kritisert, das Verfahren durch seinen Strafantrag ermöglicht bzw. gebilligt zu haben. Aus dem Umfeld des Grünen-Politiker hieß es dazu: "Dass eine gerichtlich angeordnete Hausdurchsuchung bei dem Beschuldigten stattfand, ist einzig und allein die Entscheidung der Strafverfolgungsbehörden und der Gerichte." Habeck sei über die konkreten Ermittlungsmaßnahmen weder informiert gewesen noch daran beteiligt. Man sei über die Hausdurchsuchung verwundert, falls diese allein wegen des Strafantrags erfolgt sei. Von den anderen Vorwürfen gegen den Mann habe man erst jetzt erfahren.
Mit Material der dpa
Red. Hinweis: Artikel auf Grundlage des SZ-Berichtes nachträglich angepasst (15.11.2024, 20:13 Uhr, mk).
Volksverhetzung gegen Robert Habeck?: . In: Legal Tribune Online, 15.11.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55880 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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