EuGH-Schlussanträge: Mit­g­lied­staaten müssen Gewal­t­opfer ent­schä­d­igen

14.05.2020

Nicht immer ist es Opfern von Gewalttaten möglich, eine Entschädigung von den Tätern zu erlangen. Für diese Fälle sieht das EU-Recht eine Entschädigung durch den Staat vor. Vor dem EuGH soll nun geklärt werden, für welche Fälle dies gilt.

In dem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) muss die EU-Richtlinie zur Entschädigung von Opfern von Gewalttaten ausgelegt werden. Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu eine Regelung einzuführen, die den Opfern von Gewalttaten eine Entschädigung zuspricht. Ein italienischen Gericht hatte die Frage vorgelegt, ob die Richtlinie nur für grenzüberschreitende Sachverhalte oder alle Straftaten im Hoheitsgebiet gilt.

Der Generalanwalt Michal Bobek vertritt in seinen am Donnerstag gestellten Schlussanträgen nun die Ansicht, dass die Mitgliedstaaten jedes Opfer einer vorsätzlich begangenen Gewalttat entschädigen müssen. Dies gelte auch unabhängig davon, wo das Opfer seinen Wohnsitz habe. Zur Begründung führte er die Charta der Grundrechte der Europäischen Union und die Gewaltenteilung an.

Bobek befand, dass von den Mitgliedstaaten ein System eingeführt werden müsse, welches den Zugang zu Entschädigungen erleichtert. Außerdem sei eine nationale Reglung zu erlassen, die bei jeder auf dem jeweiligen Hoheitsgebiet begangenen Gewalttat in Anspruch genommen werden könne.

Damit widerspricht der Generalanwalt der Auffassung der Europäischen Kommission. Diese ist der Ansicht, dass der Rat der EU gerade nicht beabsichtigt habe, dass sich die Richtlinie auch auf die Opfer von innerstaatlichen Fällen erstrecke. Bobek argumentierte dagegen, dieser subjektive Wille sei in der Richtline nicht klar formuliet und daher für den EuGH nicht bindend.

Hinsichtlich der Höhe der Entschädigung sei den Mitgliedstaaten ein weites Ermessen eingeräumt, es könnten auch Pauschalbeträge festgelegt werden. Wichtig sei allerdings, dass der Betrag nicht so niedrig ist, dass er rein symbolisch Wirkung entfalte.

Die Einschätzung des Generalanwalts ist für die Luxemburger Richter nicht bindend, häufig folgen sie ihr aber. Ein Urteil dürfte in den kommenden Monaten fallen. 

vbr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

EuGH-Schlussanträge: . In: Legal Tribune Online, 14.05.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41617 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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