Landet ein Flieger in einem nahegelegenen Alternativflughafen statt dem ursprünglichen Zielflughafen, wird nicht gleich die pauschale Entschädigung nach der Fluggastrechteverordnung fällig, so der EuGH.
Bei einer nur geringfügigen Flugumleitung muss die Airline nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) nur die Kosten für die Fahrt zum ursprünglichen Ziel übernehmen. Einen Anspruch auf eine pauschale Entschädigung nach hat der Fluggast aber nicht, solange der Flieger nicht mindestens drei Stunden Verspätung hat, wie der EuGH am Donnerstag mitteilte (Urt. v. 22.04.2021, Az. C-826/19).
Im konkreten Fall ging es um einen Flug von Wien nach Berlin, der 58 Minuten zu spät landete und nicht wie geplant den mittlerweile geschlossenen Flughafen Berlin-Tegel im Norden, sondern Berlin-Schönefeld im Süden der Stadt ansteuerte. Der Fluggast forderte deshalb pauschal 250 Euro Entschädigung, die ihm nach der Fluggastrechteverordnung (VO) zustünden. Vom Schönefelder Flughafen lag seine Wohnung den Angaben zufolge 24 Kilometer entfernt; vom Flughafen Tegel nur acht Kilometer. In Europa gibt es viele Städte mit mehreren Flughäfen, an denen ein ähnliches Szenario denkbar ist, etwa in London oder Paris.
Dabei ist es nach Auffassung des Luxemburger Gerichts egal, ob sich ein Ersatzflughafen im gleichen Bundesland oder der gleichen Stadt befindet, solange er in "unmittelbarer Nähe" des ursprünglichen Ziels liege. Die Verspätung von Fliegern richtet sich den Angaben zufolge danach, wann der Verbraucher am eigentlichen Zielflughafen oder "einem sonstigen nahe gelegenen, mit der Fluggesellschaft vereinbarten Zielort ankommt".
EuGH folgt Generalanwalt
Die Fluggesellschaft hätte dem EuGH zufolge von sich aus anbieten müssen, die Kosten für die Weiterreise zu zahlen. Da sie dies nicht getan habe, könne sich der Betroffene "notwendige, angemessene und zumutbare" Kosten für eine entsprechende Weiterfahrt erstatten lassen, nicht jedoch die Pauschale nach der VO. Der EuGH folgte mit der Entscheidung den Empfehlungen des Generalanwalts, der einen Anspruch auf die pauschale Ausgleichsleitung in seinen Schlussanträgen ebenfalls ablehnte.
Der Grünen-Europaparlamentarier Rasmus Andresen kritisiert angesichts des Urteils, dass es einige EU-Länder blockierten, Rechte von Flugreisenden gesetzlich zu stärken. "Gerade die Corona-Krise und der massenhafte Einsatz von nicht gegen Insolvenzen abgesicherten Gutscheinen hat noch einmal vor Augen geführt, wie dringend wir eine bessere rechtliche Absicherung der Rechte von Flugreisenden benötigen", sagte der Politiker. Er warte gespannt auf Initiativen der EU-Kommission, um die Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu stärken.
Von dem Urteil bleiben pauschale Ausgleichszahlungen unberührt. Wenn etwa ein Flug ausfällt, dies nicht rechtzeitig mitgeteilt wird und kein angemessener Ersatz angeboten wird, hat man je nach Streckenlänge Anspruch auf eine Entschädigung. Die Höhe liegt für Kurzstrecken bei bis zu 250 Euro, für Mittelstrecken bei bis zu 400 Euro und für Langstrecken bei bis zu 600 Euro. Sogenannte außergewöhnliche Umstände können Fluggesellschaften jedoch davon befreien, diese Entschädigungen auszuzahlen.
dpa/acr/LTO-Redaktion
EuGH zur Flugumleitung von Tegel nach Schönefeld: . In: Legal Tribune Online, 22.04.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44789 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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