Wer die deutsche Staatsbürgerschaft erwirbt, der erhält zunächst mehr Rechte. Verliert man die Staatsbürgerschaft dann wieder, so darf man sodann nicht weniger Rechte haben als zuvor. So der EuGH im Fall einer Türkin.
Leben und arbeiten türkische Staatsangehörige in einem EU-Mitgliedsstaat, so unterfallen sie dem Beschluss des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei. Artikel 7 Absatz 1 des Beschlusses Nr. 1/80 räumt den Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers unteranderem ein Aufenthaltsrecht ein.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat nun entschieden, dass Angehörige dieses Recht, sofern es einmal erworben wurde, auch nicht dadurch verlieren, dass sie die Staatsangehörigkeit des Aufnahmemitgliedstaats erwerben und die bisherige Staatsangehörigkeit verlieren (Urt. v. 21.10.2020 Az. C-720/19).
Vorgelegt hatte die Frage das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf, denn dort ist der Fall einer türkischen Staatsangehörigen anhängig. Die Frau war 1970 zu ihrem Mann, der ebenfalls die türkische Staatangehörigkeit besaß, nach Deutschland gezogen und hatte eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erhalten. Nach dem Tod des Mannes nahm die Frau 2001 die deutsche Staatsbürgerschaft an und legte im Zuge dessen die türkische Staatsbürgerschaft ab.
Wenige Monate später nahm die Frau allerdings wieder die türkische Staatsbürgerschaft an, was nach deutschem Recht zum Verlust ihrer deutschen Staatsangehörigkeit führte. Daraufhin erhielt die Frau eine befristete Aufenthaltserlaubnis, die mehrfach verlängerte wurde. 2017 beantragte sie die unbefristete Aufenthaltsgenehmigung und begründete dies mit ihrem Recht aus Artikel 7 des Beschlusses Nr. 1/80, welches sie durch das Zusammenleben mit ihrem Mann erworben habe.
Rechtverlust nur bei Gefahr für die öffentliche Sicherheit
Die Stadt Duisburg hatte diesen Antrag jedoch abgehlehnt, weil sie in der Zwischenzeit die deutsche Staatsbürgerschaft erworben habe. Nach deutschem Recht habe die Einbürgerung zur Folge, dass vorher erteilte Aufenthaltserlaubnisse unwirksam würden.
Der EuGH hat dem widersprochen und auf seine Rechtsprechung verwiesen, nach der die nach Artikel 7 Absatz 1 des Beschlusses Nr. 1/80 rechtmäßig erworbenen Rechte nicht davon abhängig seien, dass die Voraussetzungen für ihre Entstehung fortbestünden. Dieses würde nur eingeschränkt, wenn die Angehörigen eine tatsächliche oder schwerwiegenden Gefahr für die öffentlichen Sicherheit darstellen oder das Land für einen nicht unerheblichen Zeitraum und ohne berechtigen Grund verlassen haben.
Die Richter stellten fest, dass dadurch, dass der Angehörige die Staatsangehörigkeit des Mitgliedsstaates erwirbt, er nicht die Rechte aus in Artikel 7 des Beschlusses Nr. 1/80 verliert. Dies gelte auch, wenn die Staatsangehörigkeit Rechte verleihe, die weiter gingen als die im Beschluss gewährleisteten.
vbr/LTO-Redaktion
EuGH zum Aufenthaltsrecht nach Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit: . In: Legal Tribune Online, 21.10.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43165 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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