Die Vorwürfe gegen den Rapper Valtònyc sind nicht ohne: Er soll unter anderem Politiker mit dem Tod bedroht und Terrorismus verherrlicht haben. Das höchste EU-Gericht hat dennoch eine gute Nachricht für ihn.
Der in Spanien wegen Verherrlichung von Terror verurteilte Rapper Valtònyc kann nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs weiter darauf hoffen, nicht in seine Heimat ausgeliefert zu werden. Eine nachträgliche Rechtsänderung aus dem Jahr 2015 sei für den Rapper nicht anwendbar, urteilten die Luxemburger Richter am Dienstag. Die geahndeten Taten des Musikers, der sich in Belgien aufhält, hatten bereits 2012 und 2013 stattgefunden. Diese Tatzeit sei auch entscheidend für die Prüfung des gegen ihn vorliegenden europäischen Haftbefehls. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden (Urt. v. 03.03.2020, Az. C-717/18).
Wegen seiner Texte wurde der aus Mallorca stammende Rapper Valtònyc im Jahr 2017 vom Nationalen Gerichtshof in Spanien wegen Straftaten der Verherrlichung des Terrorismus und der Erniedrigung seiner Opfer in den Jahren 2012 und 2013 verurteilt. Dem Musiker wird vorgeworfen, in seinen Texten Politiker mit dem Tod bedroht, Terrorismus verherrlicht sowie das Königshaus beleidigt zu haben. Seine Verurteilung löste auf Mallorca und in anderen Regionen Spaniens Proteste und Solidaritätsbekundungen für den Rapper aus.
Das Urteil lautete auf die damals mögliche Höchststrafe von zwei Jahren Freiheitsstrafe. Im Jahr 2015 wurde die Vorschrift auf bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe erhöht.
Der verurteilte Musiker reiste jedoch nach Belgien aus, das spanische Gericht erließ daraufhin einen Europäischer Haftbefehl wegen "Terrorismus" gegen den Mann. Nach Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses zum Europäischen Haftbefehl muss der vollstreckende Staat bei diesem Tatvorwurf nicht mehr prüfen, ob die Tat auch im eigenen Land strafbar wäre – vorausgesetzt, im ausstellenden Land gilt eine Höchsstrafe von drei Jahren.
Gegen die Vollstreckung durch die belgischen Behörden legte der Rapper Berufung ein. Das belgische Gericht war unsicher: Zur Tatzeit betrug das Höchstmaß nur zwei Jahre, nach dem zur Zeit der Ausstellung des Haftbefehls geltenden Recht jedoch drei Jahre. Nur wenn es auf letzteres ankäme, würde Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses greifen und das belgische Gericht müsste nicht die beiderseitige Strafbarkeit überprüfen. Das Gericht hat deshalb den EuGH im Wege des Vorabentscheidungsersuchens angerufen.
EuGH: Es gilt das Recht zur Zeit der Tat
Dem Wortlaut des Art. 2. Abs. 2 des Rahmenbeschlusses sei die Antwort nicht zu entnehmen, stellte der EuGH fest. In Abs. 1 sei aber geregelt, dass ein Haftbefehl ab einer Verurteilung zu vier Monaten Freiheitsstrafe ausgestellt werden könne. Damit stelle die Norm auf die Verurteilung ab und damit auch auf das zu diesem Zeitpunkt geltende Recht.
Dafür spreche auch Art. 8 des Rahmenbeschlusses. Danach müsse für einen Europäischen Haftbefehl ein spezielles Formblatt verwendet werden, aus dem hervorgehe, dass die Informationen die "verhängte" Strafe betreffen.
Im Übrigen habe Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses den Zweck, die justizielle Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten zu erleichtern und zu beschleunigen. Die vollstreckende Justizbehörde müsse sich deshalb auf die im Europäischen Haftbefehl enthaltenen Informationen über die Dauer der Strafe stützen können. Sie solle gerade nicht prüfen müssen, ob sich das Recht des ausstellenden Staates seit der Verhängung der Strafe geändert habe.
Bei der Verurteilung des spanischen Rappers betrug die Höchststrafe zwei Jahre, sodass Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses keine Anwendung findet. Die vereinfachte Auslieferung ist also ausgeschlossen. Das verhindert aber nicht generell die Vollstreckung des Haftbefehls: Das belgische Gericht muss nur auch das Kriterium der beiderseitigen Strafbarkeit prüfen.
ast/LTO-Redaktion mit Materialien der dpa
EuGH zum Europäischen Haftbefehl: . In: Legal Tribune Online, 03.03.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40599 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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