EuGH zur Rechtsstellung von kriminellen Ausländern: Flücht­lings­ei­gen­schaft auch ohne Aner­ken­nung

14.05.2019

Wer eine Gefahr für die Sicherheit der Allgemeinheit darstellt, dem kann die Rechtsstellung als Flüchtling aberkannt werden. Laut EuGH heißt das aber nicht, dass die Person dann kein Flüchtling mehr ist.

Nach der EU-Richtline über Flüchtlinge (2011/95/EU) können Mitgliedstaaten Ausländern, die eine Gefahr für die Sicherheit der Allgemeinheit darstellen oder wegen eines besonders schweren Verbrechen verurteilt worden sind, die Rechtsstellung als Flüchtling aberkennen bzw. die Zuerkennung verweigern. Allerdings bedeutet der Verlust der Rechtsstellung nicht, dass die betroffene Person auch die Eigenschaft als Flüchtling verliert, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag (Urt. v. 14.05.2019, Az. C-391/16, C-77/17 und C-78/17). 

Der Rat für Ausländerstreitsachen in Belgien und das oberste Verwaltungsgericht in Tschechien hatten dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Beide Länder haben die Unionsrichtlinie über Flüchtlinge umgesetzt und Ausländern, von denen eine Gefahr im Sinne der Richtline ausging, den Flüchtlingsstatuts aberkannt oder verweigert. Die mit den Fällen beschäftigten Gerichte hatten allerdings Zweifel, ob die Bestimmungen der Richtline mit der Genfer Flüchtlingskonvention vereinbar sind.

Die vorlegenden Gerichte gaben zu bedenken, dass Ausländer nach dem Genfer Abkommen zwar aus denselben Gründen aus- oder zurückgewiesen werden könnten, ein Verlust der Flüchtlingseigenschaft im Abkommen aber nicht vorgesehen ist. Der EuGH sollte daher klären, ob die Bestimmungen der Richtline im Lichte der EU-Grundrechtecharta und des AEUV, nach denen die EU-Asylpolitik das Genfer Abkommen zu beachten habe, gültig sind.

Anerkennung nur deklaratorisch

Die Luxemburger Richter bejahten dies und entschieden, dass die Bestimmungen der Richtline mit dem Genfer Abkommen und der EU-Grundrechtecharta vereinbar sind. Drittstaatenangehörige, die eine begründete Furcht vor Verfolgung in ihrem Herkunftsland haben, seien laut EuGH auch dann als Flüchtlinge im Sinne der Richtline und des Abkommens einzustufen, wenn ihnen die Flüchtlingseigenschaft nicht "förmlich verleihen worden ist". Die Anerkennung als Flüchtling habe einen rein deklaratorischen, aber keinen für die Flüchtlingseigenschaft konstitutiven Charakter.

Die Aberkennung der Rechtsstellung als Flüchtling führe daher nicht dazu, dass die betroffene Person auch die Eigenschaft als Flüchtling verliert, so der EuGH. Bestehe für den Ausländer in seinem Herkunftsland eine ernsthafte Gefahr der Folter oder einer unmenschlichen Behandlung, sei eine Ausweisung uneingeschränkt verboten. Wer die Eigenschaft als Flüchtling besitzt könne daher beispielsweise die Rechte, die keinen rechtmäßigen Aufenthalt, sondern nur die physische Anwesenheit im Hoheitsgebiet des Aufnahmestaates voraussetzen, geltend machen.

Der Generalanwalt sah dies in seinen Schussanträgen zu den Fällen genauso. Dort vertrat er die Auffassung, dass die Befugnis zur Zurückweisung durch die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten im Bereich des Grundrechtsschutzes "weitgehend neutralisiert" werde. Bestimmte Rechte garantiere das Genfer Abkommen unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes.

Bestimmte Rechte garantiere das Abkommen aber nur anerkannten Flüchtlingen, betonte der EuGH. Dazu zähle etwa das Recht auf Zugang zu Beschäftigung, Wohnraum und Sozialhilfe.

acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

EuGH zur Rechtsstellung von kriminellen Ausländern: . In: Legal Tribune Online, 14.05.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/35367 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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