EuGH zu digitaler Vervielfältigung von Druckwerken: Ver­griffen heißt nicht vogel­frei

16.11.2016

Im Handel vergriffene Bücher dürfen nach Unionsrecht digital vervielfältigt werden. Aber nur, wenn die Urheber vorher ausreichend über ihre Rechte aufgeklärt werden, sagt der EuGH.

Eine französische Regelung, nach der vergriffene Bücher digital weiter vertrieben werden können, steht nicht im Einklang mit Unionsrecht - jedenfalls dann, wenn den Autoren vorher nicht erklärt wird, dass und wie sie dem widersprechen können. Das entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Mittwoch (Urt. v. 16.11.2016, Az.: C-301/15). 

Bei einem vergriffenen Buch handelt es sich nach französischem Recht um ein Buch, das vor dem 1. Januar 2001 veröffentlicht wurde und inzwischen nicht mehr gewerblich vertrieben wird. Die angegriffene Regelung sieht vor, dass eine Verwertungsgesellschaft namens SOFIA damit betraut wird, die Vervielfältigung und Wiedergabe vergriffener Bücher in digitaler Form zu erlauben. Dem können die Urheber der Bücher unter bestimmten Voraussetzungen widersprechen.

Zwei französische Autoren hatten gegen ein Dekret geklagt, welches diese Regelung konkretisiert. Sie sahen sich in ihren Rechten aus der Urheberrechtsrichtlinie der Europäischen Union (EU) (2001/29/EG) verletzt. Die Frage nach der Vereinbarkeit französischen Rechts mit der Richtlinie hatte das mit der Sache befasste Gericht dem EuGH vorgelegt.

Rechtsausübung darf nicht erschwert werden

Zunächst stellte der Gerichtshof fest, dass nach der Richtlinie grundsätzlich den Urhebern das ausschließliche Recht zustehe, über die Vervielfältigung ihrer Werke zu entscheiden. Eine Zustimmung zur digitalen Verwertung könne zwar auch implizit erfolgen. Dies setze aber voraus, dass der Urheber über die künftige Nutzung seines Werkes und die Möglichkeit, diese zu untersagen, informiert werde.

Nach derzeitigem französischem Recht kann der Inhaber der Rechte der Vervielfältigung binnen sechs Monaten, nachdem das Werk in eine hierfür eingerichtete Datenbank eingetragen wurde, widersprechen. Ob die Rechteinhaber hierüber jeweils individuell informiert werden, war für den Gerichtshof nicht erkennbar. Somit sei nicht ausgeschlossen, dass einige betroffene Urheber faktisch keine Kenntnis von der geplanten Nutzung ihrer Werke hätten und daher nicht in der Lage seien, ihr zu widersprechen, urteilten die Richter.

Ein Einverständnis der Urheber könne somit nicht einfach angenommen werden. Zudem sei problematisch, dass diese die Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Herausgebers des Druckwerkes oder mit dem Nachweis, alleiniger Rechteinhaber zu sein, verhindern können. Die Urheber müssten ihre Rechte aber alleine und ohne Mitwirkung weiterer Stellen durchsetzen können.

mam/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

EuGH zu digitaler Vervielfältigung von Druckwerken: . In: Legal Tribune Online, 16.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21170 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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