Eine syrische Familie flüchtete nach Griechenland und wollte Asyl beantragen, aber Frontex brachte sie in die Türkei. Mit ihrer Schadensersatzklage scheiterte sie nun vor dem EuG: Es fehle an der Kausalität, so die Richter.
Im Jahr 2016 trafen mehrere syrische Flüchtlinge auf der griechischen Insel Milos ein. Sie äußerten den Wunsch, einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen. Die Europäische Agentur für Grenz- und Küstenwache (Frontex) führte jedoch eine sog. Rückkehraktion zusammen mit Griechenland durch und brachte die Geflüchteten in die Türkei. Von dort aus reisten sie weiter in den Irak.
Wegen dieses Vorgehens klagte eine syrische Flüchtlingsfamilie vor dem Gericht der Europäischen Union (EuG) gegen Frontex und scheiterte nun (Urt. v. 06.08.2023, Az. T 600/21). Die möglicherweise erlittenen Schäden ließen sich nicht unmittelbar auf das Verhalten von Frontex zurückführen, entschieden die Richter am Mittwoch in Luxemburg. Auch sei Frontex weder für die Prüfung von Rückkehrentscheidungen noch für Asylanträge zuständig. Daher könne die Behörde in diesem Fall nicht haften. Nichtregierungsorganisationen werfen Frontex immer wieder vor, die Rechte von Flüchtlingen nicht ausreichend zu schützen.
Die heute im Irak lebende Familie hält das Handeln von Frontex für rechtswidrig. Ihre Asylanträge hätte geprüft werden müssen, bevor sie aus der EU gebracht worden seien. Außerdem habe Frontex gegen das Verbot erniedrigender Behandlung verstoßen und das Recht auf effektiven Rechtsschutz und die Rechte von Kindern missachtet. Sie forderten über 100.000 Euro Schadenersatz.
Frontex nicht unmittelbar verantwortlich
Dem folgten die Richter nicht. Weder die dargelegten materiellen Schäden, also die Ausgaben der Flüchtlinge in der Türkei und im Irak, noch ihre Angstzustände –insbesondere in Verbindung mit dem Rückflug in die Türkei – ließen sich unmittelbar auf das Verhalten von Frontex zurückführen, so das Gericht. Die Kosten für Miete in der Türkei, für die beauftragten Schleuser in den Irak und den Lebensunterhalt dort seien keine unmittelbaren Folgeschäden. Das Gericht gelangt daher zu dem Ergebnis, dass die Flüchtlinge den Nachweis für einen Kausalzusammenhang zwischen dem behaupteten Schaden und dem Frontex vorgeworfenen Verhalten nicht erbracht haben.
Die Agentur habe bei den Rückkehraktionen lediglich den Auftrag, die EU-Staaten technisch und operativ zu unterstützen. Ausschließlich die Mitgliedstaaten seien dafür zuständig, die Begründetheit von Rückkkehrentscheidungen zu würdigen und Anträge auf internationalen Schutz zu prüfen, so das Gericht. Die Flüchtlinge seien daher zu Unrecht davon ausgegangen, dass sie ohne die angeblichen Verstöße von Frontex nicht in die Türkei rückgeführt worden wären.
Die Anwältin der Familie, Lisa-Marie Komp, bezeichnete das Urteil als "unbefriedigend". Die Richter hätten klargestellt, dass die Verantwortung für die Einhaltung der Menschenrechte allein bei den EU-Staaten liege. Gleichzeitig werfe das Urteil Fragen auf: Es bleibe unklar, in welcher Weise Frontex die Einhaltung der Menschenrechte überwachen müsse.
Gegen das Urteil können die Kläger noch vor dem höchsten Gericht der EU, dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), vorgehen.
dpa/lfo/LTO-Redaktion
Abschiebung durch EU-Grenzschutzagentur: . In: Legal Tribune Online, 06.09.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52643 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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