Auf einem Gipfel diskutierten die EU-Staatschefs über schnellere Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber und die Umsetzung der erst kürzlich beschlossenen Asylreform. Es gibt zahlreiche Differenzen.
Beim jüngsten EU-Gipfel in Brüssel haben die Staats- und Regierungschefs der 27 Mitgliedstaaten erneut über die umstrittene Asylreform (GEAS) diskutiert, die sie erst kürzlich verabschiedet hatten. Ziel der Reform ist es, einheitliche Verfahren an den Außengrenzen einzuführen, um Asylverfahren zu beschleunigen. Im Zentrum der aktuellen Debatte steht die Frage, ob die beschlossenen Maßnahmen ausreichend sind, um den Herausforderungen der irregulären Migration gerecht zu werden.
Griechenlands Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis kritisierte, dass die Reform keine ausreichenden Regelungen zu Rückführungen enthalte. "Wir können nicht akzeptieren, dass wir diejenigen, die keinen Anspruch auf Schutzstatus haben, nicht effektiv zurückführen", betonte Mitsotakis.
Ohnehin könnte sich die Umsetzung der Reform aufgrund der vorgesehenen Übergangsfristen bis 2026 verzögern. Bundeskanzler Olaf Scholz forderte daher eine schnellere Einführung. "Es ist wichtig, dass die Vereinbarungen nicht nur allmählich, sondern forciert umgesetzt werden", erklärte Scholz und versprach, die notwendigen nationalen Gesetze zügig auf den Weg zu bringen.
Polen will Asylrecht aussetzen
Ein weiteres zentrales Thema des Gipfels am Donnerstag war die Lage an der polnischen Grenze. Angesichts des zunehmenden Migrationsdrucks durch von Russland und Belarus eingeschleuste Migranten kündigte Polens Regierungschef Donald Tusk an, das Recht auf Asylverfahren vorübergehend auszusetzen. Die EU-Kommission zeigte Verständnis für die schwierige Situation, mahnte jedoch, dass die Maßnahmen verhältnismäßig und zeitlich begrenzt sein müssten.
Bundeskanzler Scholz unterstützte die polnische Regierung und betonte die Notwendigkeit außergewöhnlicher Maßnahmen an den Grenzen. Gleichzeitig unterstrich er die Bedeutung eines rechtskonformen Vorgehens: "Wer der polnischen Regierung abspricht, sich mit dem Problem zu beschäftigen, handelt unverantwortlich."
Trotz einer dem Verbehmen nach insgesamt konstruktiven Atmosphäre auf dem Gipfel konnten sich die EU-Staaten bei wichtigen Aspekten der Asylpolitik nicht einigen. Besonders kontrovers diskutiert wurden Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der EU, wie sie derzeit von Italien in Albanien durchgeführt werden. Italien ist der erste EU-Staat, der Asylanträge von Flüchtlingen außerhalb der Union prüfen lässt. Dieses Modell könnte Schule machen, stößt jedoch auf Widerstand.
Kritik an deutschen Grenzkontrollen
Auch die Entscheidung Deutschlands, nach dem Terroranschlag in Solingen vorübergehende Grenzkontrollen einzuführen, führte zu Spannungen. Mehrere EU-Staaten, darunter die Niederlande und Ungarn, äußerten Unverständnis über die einseitigen Maßnahmen Berlins. Die EU-Kommissarin für Inneres, Ylva Johansson, wies darauf hin, dass nationale Alleingänge den Grundsätzen der gemeinsamen europäischen Asylpolitik widersprächen.
Die Ampelkoalition wird diesen Freitag ein Sicherheitspaket im Bundestag verabschieden, das u.a. Änderungen im Asyl- und Aufenthaltsrecht vorsieht. Danach sollen Heimreisen anerkannt Schutzberechtigter in der Regel zur Aberkennung des Schutzstatus führen. Vorgesehen ist ferner der „Ausschluss von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz für bestimmte Fälle der Sekundärmigration“, in denen ein anderer EU-Staat für die Asylprüfung des betreffenden Ausländers zuständig ist und der Rückübernahme zugestimmt hat.
dpa/ls/LTO-Redaktion
Wird das EU-Asylrecht weiter verschärft?: . In: Legal Tribune Online, 18.10.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55665 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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