2011 untersagte das Landgericht Köln der Bild und ihrer Online-Ausgabe die Verbreitung eines Fotos, welches Jörg Kachelmann oberkörperfrei im Gefängnishof zeigte. Zu Recht, urteilte nun auch der EGMR.
Am 31. Mai 2011 verkündete das Landgericht (LG) Mannheim, dass der Journalist und Wettermoderator Jörg Kachelmann vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen wird. Der Prozess über die Berichterstattung der Tageszeitung Bild und deren online Ausgabe zieht sich indes seit Jahren hin und beschäftigte nun auch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), der am Donnerstag entschied.
Danach müssen der Axel-Springer-Verlag, der die Bild herausgibt, und die Bild GmbH & Co. KG eine weitere juristische Niederlage hinnehmen. Denn wie die Straßburger Richter urteilten, ist die gegen ein von Kachelmann erfolgreich erstrittenes Unterlassungsurteil hinsichtlich der Bild-Berichterstattung gerichtete Klage unzulässig. Die deutschen Gerichte haben die Interessen des Verlages und diejenigen von Kachelmann nach Ansicht des EGMR ordnungsgemäß und damit rechtsfehlerfrei gegeneinander abgewogen (Urt. v. 10.01.2019, Beschw.-Nr. 62721/12 und 62741/13).
Halbnackter Kachelmann "ohne Mehrwert für Berichterstattung"
Die am Donnerstag ergangene Absage aus Straßburg bezog sich nicht auf den Streit um das für deutsche Verhältnisse recht hohe Schmerzensgeld, das Kachelmann vor deutschen Gerichten zugesprochen wurde und seinerzeit für einiges Aufsehen sorgte, sondern auf eine erfolgreiche Unterlassungsklage Kachelmanns aus den Jahren 2011 und 2012. Konkret ging es um die Veröffentlichung eines Bildes durch die Bild, welches den Wettermoderator oberkörperfrei in einem Gefängnishof zeigte, umringt von anderen Insassen.
Die Richter des EGMR befanden, dass die deutschen Gerichte zu Recht davon ausgegangen seien, dass das Bild "keinerlei Mehrwert zur Berichterstattung" beitrug. Entsprechend sei dem Recht Kachelmanns auf Achtung der Privatsphäre gegenüber der Meinungsfreiheit des Verlages und der Tageszeitung der Vorrang einzuräumen.
Zu beachten sei außerdem, so die Straßburger Richter, dass der Journalist während seines Gefängnisaufenthaltes nicht damit habe rechnen müssen, heimlich fotografiert zu werden. Zwar sei dem Interesse an der Berichterstattung über Kachelmann als Person des öffentlichen Lebens ein gewisses Gewicht einzuräumen - dieses rechtfertige aber keinen solch erheblichen Eingriff in die Privatsphäre des Mannes.
Rekordsumme: Fast 400.000 Euro Schmerzensgeld für Kachelmann
Das erste aufsehenerregende Urteil im Zivilprozess fällte das LG Köln: 800.000 Euro Schmerzensgeld für Kachelmann wegen insgesamt 38 Fällen der schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzung von Bild und Bild online - eine Rekordsumme im deutschen Presserecht. In zweiter Instanz verringerte das Oberlandesgericht (OLG) Köln diesen Betrag auf 395.000 Euro. Die klagenden Unternehmen legten Nichtzulassungsbeschwerde ein, nachdem das OLG Köln ihren Revisionsantrag nicht zuließ - doch auch die blieb vor dem Bundesgerichtshof ohne Erfolg.
Der Medienkonzern hat nach Angaben eines Sprechers zwischenzeitlich Verfassungsbeschwerden gegen das Schmerzensgeld-Urteil erhoben. Von einer Entscheidung des EGMR im Sinne des Verlags habe man sich mittelbar Auswirkungen auf diese Beschwerden in Karlsruhe erhofft, teilte der Sprecher mit. Man bedauere die Entscheidung des Straßburger Gerichts und teile dessen Einschätzung nicht.
Kachelmann steht seit Anfang des Jahres wieder mit einer eigenen Sendung vor der Kamera. Zusammen mit Kim Fisher moderiert er die MDR-Talkshow Riverboat.
mit Material von dpa
Streit um Kachelmann-Foto: . In: Legal Tribune Online, 10.01.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33129 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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