Halbzeit-Bilanz des DAV: Ver­nich­tendes Zeugnis für die GroKo

von Hasso Suliak

01.11.2019

Der DAV hat der GroKo für ihre bisherige Rechtspolitik ein miserables Zeugnis ausgestellt. Besonders die auf den Weg gebrachte Reform des Strafverfahrens enttäuscht die Anwälte, aber auch ein "Stillstand" beim Thema Anwaltsvergütung.

"Die Politik hat die Bedeutung der Anwaltschaft für den Rechtstaat offenbar nicht im Blick." Mit diesem vernichtenden Fazit beurteilt der Deutsche Anwaltverein (DAV) die Rechtspolitik der Bundesregierung zur Hälfte der Legislaturperiode.

Besonders harsch fällt das Urteil der Anwälte mit der erst kürzlich auf den Weg gebrachten Reform des Strafprozesses aus. Der Gesetzentwurf, "Modernisierung des Strafverfahrens", verdiene seinen Namen nicht. Die (vermeintliche) Effektivität des Strafprozesses werde zum Maß aller Dinge erkoren, gehe dabei aber ausschließlich auf Kosten von Beschuldigtenrechten, heißt es in einer Mitteilung des Vereins.

Die Anwälte kritisieren, dass im Entwurf der Bundesregierung geplant sei, das Beweisantragsrecht zu beschneiden. "Gerichte sollen Beweisanträge unter dem Stichpunkt 'Verschleppungsabsicht' ohne förmlichen Beschluss ablehnen können. Damit stellt der Entwurf die Anwaltschaft unter einen Generalverdacht der Prozesssabotage." Beweisanträge dienten dazu, die Rechte des Beschuldigten zu wahren und seine Stellung als Verfahrenssubjekt zu gewährleisten. Sie seien die einzige Möglichkeit seitens der Verteidigung, mit dem Gericht zu kommunizieren, da es im Strafprozess keinen Anspruch auf ein Rechtsgespräch gebe. "Die Anwaltschaft ist Garantin des Rechtsstaats – kein Störfaktor", betonte der Verein. 

"Wir haben ein Rechtsstaatsdefizit"

Weiter bemängelt der DAV, dass es im deutschen Strafprozess "keine verlässliche, objektive und allen Beteiligten zugängliche Protokollierung des Inhalts der Beweisaufnahme" gebe. "Dass eine Dokumentation des Verfahrens noch immer dergestalt stattfindet, dass der bzw. ein Richter handschriftlich Notizen anfertigt, ist vollkommen aus der Zeit gefallen", kritisiert der DAV. Im europäischen Vergleich stelle Deutschland damit eine "Ausnahmeerscheinung" dar. "Wir haben hier ein Rechtsstaatsdefizit", warnte Rechtsanwältin Dr. Margarete Gräfin von Galen, Mitglied des DAV-Strafrechtsausschusses.

Weiter kritisiert der DAV in seiner Mitteilung vom Freitag auch die Pläne der Bundesregierung zum Unternehmenssanktionenrecht. Damit sei eine "Aushöhlung des Anwaltsgeheimnisses" verbunden. "Auf anwaltliche Unterlagen und Aufzeichnungen zu Personen, die sich gerade nicht in einem Strafverfahren befinden, könnten Ermittlungsbehörden nach dem Entwurf leicht zugreifen." Der DAV fordert deshalb "klare Durchsuchungs- und Beschlagnahmeverbote wie auch ein anwaltliches Zeugnisverweigerungsrecht zum Schutz der Beschuldigten".

Einzig positiv wird vom DAV zur Hälfte der Legisatur herausgehoben, dass sich die Koalition auf Eckpunkte für eine große BRAO-Reform geeinigt hat. Das Papier entspreche "in weiten Teilen" einem DAV-Vorschlag von 2018. "Die Anwaltschaft benötigt ein Berufsrecht, bei dem es im Wesentlichen ihr überlassen wird, mit wem und wie sie ihren Beruf ausübt", so Edith Kindermann, Präsidentin des DAV.

Ansonsten gab es seitens der Anwälte kein weiteres Lob für die Arbeit der GroKo. Im Gegenteil: Beim Thema Vergütung sei "nach über sechs Jahren Stillstand bei gleichzeitig immens gestiegenen Kosten" dringend eine Anpassung der RVG-Sätze erforderlich. Das System der RVG-Kostenerstattung sei Voraussetzung für einen fairen Zugang zum Recht, so DAV-Präsidentin Kindermann.

Zitiervorschlag

Halbzeit-Bilanz des DAV: . In: Legal Tribune Online, 01.11.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38515 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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