Die EU will Kinder besser vor sexuellem Missbrauch schützen, damit sind alle einverstanden. Die dafür vorgesehenen Chatkontrollen sehen aber viele kritisch. Der Anwaltverein unterstützt nun einen offenen Brief gegen die Pläne.
Die EU verhandelt schon seit Monaten über Gesetzesvorschläge zur Bekämpfung von sexuellem Missbrauch an Kindern. Zur Bekämpfung von Kinderpornografie sollen auch private Chats überwacht werden. Das kritisiert der Deutsche Anwaltverein (DAV) und schließt sich einem offenen Brief an die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten an.
"Die geplante Einführung der Chatkontrolle schwebt schon lange wie ein Damoklesschwert über den Köpfen der EU-Bürger", sagt Rechtsanwalt Dr. David Albrecht, Mitglied im Ausschuss Gefahrenabwehrrecht des DAV. Würde sie umgesetzt, wären Unternehmen dazu gezwungen, die digitale Kommunikation ihrer Nutzer:innen verdachtsunabhängig zu scannen.
"Das Recht auf Privatsphäre, die freie Meinungsäußerung und die Unschuldsvermutung sind wesentliche Kernwerte der Europäischen Union. Sie alle werden durch den Entwurf in seiner jetzigen Form gefährdet", erläutert Albrecht. Schwerwiegende Änderungen am Text der Verordnung seien nötig, fordert der DAV, ebenso wie viele Bürgerrechtler. Auch die Bundesregierung hat Bedenken gegenüber der geplanten und vor allem anlasslosen Überwachung.
Selbst der Wissenschaftliche Dienst im Europaparlament äußerte sich bereits kritisch: Die Pläne der EU-Kommission im Kampf gegen Bilder missbrauchter Kinder im Netz verletzten die Grundrechte von Internetnutzer:innen und seien dabei wenig wirksam. Die Anzahl gemeldeter Fälle von Missbrauchsdarstellungen dürfte zwar deutlich nach oben gehen, hieß es in einer Bewertung der Experten. Zugleich dürfte die Genauigkeit der Treffer jedoch deutlich abnehmen, während gleichzeitig eine Überlastung der Ermittlungsbehörden zu befürchten sei.
Trotz der vielen kritischen Stimmen wollen die EU-Innenminister:innen und das EU-Parlament ihre Positionen zur Chatkontrolle Ende September beschließen. Der offene Brief will darauf noch Einfluss nehmen.
lfo/LTO-Redaktion
EU-Pläne zur Bekämpfung von Kinderpornografie: . In: Legal Tribune Online, 13.09.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52695 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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