Die Staatsanwaltschaft Mainz hat das Verfahren gegen den TV-Moderator Jan Böhmermann wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes eingestellt. Strafbare Handlungen ließen sich nicht mit Sicherheit nachweisen, so die Begründung.
TV-Satiriker Jan Böhmermann kann aufatmen: Das Verfahren gegen ihn wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes ist am Dienstag von der Staatsanwaltschaft in Mainz eingestellt worden. Auch der Vorwurf der bloßen Beleidigung wurde zu den Akten gelegt.
Die Ermittler befanden, dass nach dem Ergebnis der Untersuchungen keine strafbaren Handlungen nachzuweisen seien. Dementsprechend habe man die Ermittlungen nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt.
Gegenstand war ein am 31. März 2016 auf dem Kanal "ZDFneo" des Zweiten Deutschen Fernsehens ausgestrahlter Beitrag des Satire-Magazins "Neo Magazin Royale", welches Böhmermann moderiert. Darin trug er unter anderem ein von ihm selbst so genanntes "Schmähgedicht" vor, in dem er dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan u.a. Geschlechtsverkehr mit Ziegen, Gewalt gegen kleine Mädchen und vieles mehr nachsagte. Böhmermann hatte vorab erklärt, das Gedicht solle verdeutlichen, wie unzulässige Satire tatsächlich aussehe, nachdem Erdogan zuvor gegen einen (weniger extremen), ihn betreffenden Beitrag des Magazins "extra3" im Norddeutschen Rundfunk vorgegangen war.
Umstrittenes Strafverfahren
Anfang April stellte Erdogan daraufhin Strafantrag wegen Beleidigung nach § 185 des Strafgesetzbuches (StGB) und ersuchte die Bundesregierung um Ermächtigung der Staatsanwaltschaft zur Strafverfolgung wegen der Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten nach § 103 StGB. Diesem Ersuchen kam die Bundesregierung nach, was deutschlandweit eine Kontroverse über den Umgang mit dem türkischen Präsidenten und die Grenzen der Satire auslöste.
Andrea Keller, Leitende Oberstaatsanwältin in Mainz, erklärte am Dienstag in einer Mitteilung die Gründe für die Einstellung des Verfahrens. Demnach lasse sich der Tatnachweis hinsichtlich der genannten Vorwürfe nicht mit der erforderlichen Gewissheit führen. Schon am Vorliegen des objektiven Tatbestandes einer Beleidigung bestünden Zweifel.
Kunst- und Meinungsfreiheit greifen
Zum einen müssten die Beleidigungstatbestände vor dem Hintergrund der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG) einschränkend ausgelegt werden. Keller machte deutlich, dass eine Bestrafung von Meinungsäußerungen als Schmähung nur in sehr engen Grenzen erfolgen dürfe: "Die Annahme einer Schmähung hat wegen des mit ihr typischerweise verbundenen Unterbleibens einer Abwägung zur Meinungsfreiheit gerade in Bezug auf Äußerungen, die als Beleidigung und damit als strafwürdig beurteilt werden, ein eng zu handhabender Sonderfall zu bleiben".
Der in Rede stehende Beitrag genüge überdies den Anforderungen an eine satirische Darbietung und unterfalle daher dem Schutzbereich der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG. Ein Satirebeitrag arbeite typischerweise mit Verfremdungen und Verzerrungen. "Entstehungsgeschichte, aktuelle zeitgeschichtliche Einbindung und die konkrete über das bloße Vortragen des so genannten 'Schmähgedichts' hinausgehende Gestaltung des Beitrages" sprächen gegen eine Strafbarkeit wegen Beleidigung.
Beurteilung bleibt offen, es fehlt der Vorsatz
Die abschließende Beurteilung ließen die Ermittler indes offen, Böhmermann sei nämlich ohnehin kein Vorsatz nachzuweisen. Er habe nach eigener Aussage eine übertriebene Darstellung beabsichtigt, die erkennbar keinen ernsthaften Bezug zur persönlichen Ehre Erdogans haben sollte. Dies werde durch den Gesamtkontext der Sendung bestätigt. Ein ernstlicher Angriff auf den sozialen Geltungsanspruch sei gerade aufgrund der vollkommen übertriebenen und abwegigen Zuschreibungen im Gedicht nicht naheliegend.
Böhmermanns Anwalt Christian Schertz begrüßte die Entscheidung in einer Mitteilung: "Die Staatsanwaltschaft hat unserer von Anfang an geäußerten Einschätzung der Rechtslage entsprochen", so der Medienrechtler. Zudem kritisierte er Bundeskanzlerin Angela Merkel für ihre Bewertung des Gedichts als "bewusst verletzend". Dies sei einer öffentlichen Vorverurteilung gleichgekommen. Böhmermann kündigte an, er selbst werde am Mittwoch um 16:30 "ausführlich persönlich Stellung nehmen".
Ganz ausgestanden ist die Sache für den TV-Komiker allerdings noch nicht: Am 2. November steht in Hamburg Termin zur Verhandlung im von Erdogan angestrengten presserechtlichen Verfahren an. Der türkische Staatspräsident will damit ein Verbot der Wiederholung und Verbreitung des gesamten Gedichtstextes erreichen. Das Landgericht (LG) Hamburg hatte bereits im Mai eine einstweilige Verfügung gegen Böhmermann erlassen, welche ihm die Wiederholung eines Großteils des Gedichts untersagt.
mam/LTO-Redaktion
Böhmermanns "Schmähgedicht" nicht strafbar: . In: Legal Tribune Online, 04.10.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20767 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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