Entwurf aus dem BMJ: Streit­wert­g­renze in Zivil­ver­fahren soll auf 8.000 Euro steigen

von Dr. Markus Sehl und Joschka Buchholz

27.02.2024

Weil die Eingangszahlen bei Amtsgerichten zurückgehen, plant das BMJ, Zuständigkeiten dort zu stärken. Rechtsstreitigkeiten unter Nachbarn sollen konzentriert werden. Zum ersten Mal seit 30 Jahren soll die Streitwertgrenze angehoben werden.

Das Bundesjustizministerium (BMJ) plant eine Änderung des Zuständigkeitsstreitwerts im Zivilverfahren. Konkret soll die bisherige Grenze von 5.000 Euro auf 8.000 Euro angehoben werden. Das sieht ein Referentenentwurf vor, der LTO vorliegt.

Hintergrund ist ein signifikanter Rückgang der Eingangszahlen bei den Amtsgerichten. Das hat das BMJ durch eine Studie untersuchen lassen, deren Ergebnisse im April 2023 veröffentlicht wurden: Im Zeitraum von 2005 und 2019 gab es bei Amtsgerichten mehr als ein Drittel weniger Klagen. Auch bei den Landgerichten war ein ähnlicher Trend zu festzustellen, jedoch sind die Amtsgerichte aus vielfältigen Ursachen besonders betroffen. Die für die Studie befragten Bürger gaben als wichtigste Gründe für ihre sinkende Klagebereitschaft unter anderem hohe Kosten, lange Verfahrensdauern und unsichere Erfolgsprognosen an.

Deshalb will das BMJ die Amstgerichte nun konkret stärken. In dem Entwurf betont das federführende BMJ den "wichtigen Beitrag zur Bürgernähe der Justiz" durch die Amtsgerichte. Dem ortsnahen Rechtsschutz und der gut in der Fläche verteilten amtsgerichtlichen Struktur wird eine "wichtige rechtsstaatliche Aufgabe" zugeschrieben.

Weil kleine Amtsgerichtsstandorte den Rückgang der Eingangszahlen nicht mit Stellenabbau kompensieren könnten, drohe diesen die gänzliche Schließung. Das will das BMJ verhindern, auch um die Leistungsfähigkeit der Justiz im Sinne der UN-Agenda 2030 sicherzustellen.

Ziel des Entwurfs ist es, mehr Verfahren zum Amtsgericht zu bringen, die derzeit regelmäßig beim Landgericht landen. Durch die personelle und instanzielle Verschiebung sollen Bürger und Wirtschaft nach Überzeugung des BMJ auch noch Zeit (6.300 Stunden Wegezeit) und Geld (5,5 Millionen Euro Rechtsverfolgungskosten) sparen.

Erste Anhebung des Zuständigkeitsstreitwerts seit 30 Jahren

Die in § 23 Nr. 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) normierte Streitwertgrenze von 5.000 Euro soll künftig 8.000 Euro betragen. Dies wäre die erste Änderung des Streitwerts seit 30 Jahren, wobei insoweit laut dem BMJ auch die seitdem eingetretene Geldwertentwicklung berücksichtigt wird. Eine entsprechende Forderung kam bereits 2022 aus Baden-Württemberg, die Justizministerkonferenz (JuMiKo) sprach sich ebenfalls dafür aus. Durch die Verschiebung von landgerichtlichen Verfahren in diesem Streitwertbereich wird erwartet, dass sich die Eingangszahlen bei den Amtsgerichten wieder erhöhen.

Kritik kam in der Vergangenheit von der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), wenngleich das Vorhaben nicht grundsätzlich abgelehnt wird. Die BRAK warnt vor Überlastung einiger Amtsgerichte als Kehrseite der Stärkung im ländlichen Raum. Insoweit seien "ausreichende Personalausstattung und mehr personelle Kontinuität" unabdingbar. Auch befürchtet die BRAK einen "spürbaren Verlust an Verfahren" für die Anwaltschaft durch die Verlagerung. Ebenfalls hatte der Deutsche Anwaltverein (DAV) die entsprechenden JuMiKo-Beschlüsse kritisiert.

Parallel dazu plant das BMJ zur Förderung der Spezialisierung eine Ausweitung der streitwertunabhängigen Zuständigkeiten. Beispielsweise sollen künftig nachbarrechtliche Streitigkeiten streitwertunabhängig den Amtsgerichten zugewiesen werden. Begründet wird dies damit, dass bei solchen Verfahren oftmals eine besondere Ortsnähe wichtig sei, welche durch die Amtsgerichte bestmöglich gewährleistet werden könne.

Wiederum sollen unter anderem Streitigkeiten aus Heilbehandlungen künftig streitwertunabhängig den Landgerichten zugewiesen werden. Schon jetzt exisitieren an mehreren Landgerichten spezialisierte Kammern mit besonderem Fachwissen zu diesem Fachbereich. Deren Spezialisierung soll so weitergehend gesichert werden, auch um eine effiziente Verfahrensgestaltung zu fördern.

Der Entwurf ist nach Informationen von LTO am Dienstag in die Ressortabstimmung gegangen.

Zitiervorschlag

Entwurf aus dem BMJ: . In: Legal Tribune Online, 27.02.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53977 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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