BGH: Kein Ver­brau­cher-Wider­rufs­recht bei Bürg­schaft

von Alexander Cremer

23.10.2020

Verbraucher können Bürgschaften nicht wie Fernabsatzverträge oder sonstige Verbraucherverträge widerrufen. Wie der BGH entschied, sind die Widerrufs-Regelungen nicht auf die Bürgschaft anwendbar.

Das verbraucherfreundliche Widerrufsrecht schützt nicht davor, eine riskanten Bürgschaft zu übernehmen. Das haben die obersten Zivilrichter des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe entschieden. Das 2014 an eine EU-Richtlinie angepasste deutsche Recht schließe diese Möglichkeit bewusst aus, heißt es in dem jetzt veröffentlichten Urteil aus September (Urt. v. 22.09.2020, Az. XI ZR 219/19).

Verbrauchern steht gemäß § 312g Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein 14-tägiges Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB zu. Die 14-Tages-Frist beginnt nur zu laufen, wenn der Verbraucher auch über sein Widerrufsrecht informiert wird. Wird er das nicht, erlischt das Widerrufsrecht erst nach 12 Monaten.  

In dem Fall, über den der BGH nun zu entscheiden hatte, hatte der geschäftsführende Alleingesellschafter eines Unternehmens im Dezember 2015 mit bis zu 170.000 Euro für die eigene Firma gebürgt. Als diese wenig später in die Insolvenz schlitterte, kündigte die Bank das Darlehen und forderte das Geld ein. Im September 2016 widerrief der Mann die Bürgschaftserklärung, die er nicht bei der Bank, sondern in der eigenen Firma unterzeichnet hatte. Das sei noch möglich, weil er nicht über sein Widerrufsrecht belehrt wurde. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg sah das auch so und wies die Zahlungsklage der Bank ab. Der Unternehmer habe den Vertrag wirksam widerrufen. 

Entgeltliche Leistung des Verbrauchers nicht erfasst

Vor dem BGH hatte die Bank nun aber Erfolg. Die Annahme, der Bürgschaftsvertrag sei wirksam widerrufen worden, sei rechtsfehlerhaft, so der u.a. für das Bankenrecht zuständige XI. Zivilsenat. Das Widerrufsrecht nach § 355 BGB i.V.m. § 312b Abs. 1, § 312g Abs. 1 BGB setze in seiner ab Juni 2014 geltenden Fassung einen Verbrauchervertrag voraus, der eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand habe. Erforderlich sei, so der BGH, dass der Unternehmer aufgrund eines Verbrauchervertrags die vertragscharakteristische Leistung zu erbringen habe. "Diese Voraussetzungen eines Widerrufsrechts erfüllen Bürgschaften nicht", so das Urteil. Eine entgeltliche Leistung des Verbrauchers unterfalle der Vorschrift ihrem eindeutigen Wortlaut nach nicht. 

Auch die grundsätzliche Anwendbarkeit der §§ 312 ff. BGB auf Verträge über Finanzdienstleistungen führe nicht zu einem Widerrufsrecht. Bürgschaften oder sonstige Kreditsicherheiten von Verbrauchern würden von dem in § 312 Abs. 5 Satz 1 BGB legal definierten Begriff der Finanzdienstleistung nicht erfasst. Ebenso wenig könne das Widerrufsrecht aus Schutzzweckerwägungen im Wege einer Analogie auf außerhalb von Geschäftsräumen gestellte Verbraucherbürgschaften ausgeweitet werden. Dafür fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke. 

Das Hamburger OLG, das den Widerruf für wirksam gehalten und die Klage der Bank abgewiesen hatte, muss den Fall nun neu verhandeln.

Mit Materialien der dpa

Zitiervorschlag

Alexander Cremer, BGH: . In: Legal Tribune Online, 23.10.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43201 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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