Gibt es im Straßenverkehr keine Vorfahrtsregelung, orientieren sich Autofahrer zumeist am Grundsatz "rechts vor links". Auf öffentlichen Parkplätzen gilt diese Regel grundsätzlich aber nicht, bestätigte nun der BGH.
Auf Parkplätzen ohne extra Vorfahrtsregelung gilt üblicherweise kein "rechts vor links" - das ist nun erstmals höchstrichterlich geklärt. Es sei der Sicherheit dienlicher, wenn die Autofahrer aufeinander Rücksicht nehmen und sich jeweils über die Vorfahrt verständigen müssten, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) mit am Mittwoch veröffentlichtem Urteil (Urt. v. 22.11.2022, Az. VI ZR 344/21).
In dem Fall ging es um zwei Autofahrer aus Lübeck, die auf einem Baumarktparkplatz im Kreuzungsbereich von zwei Fahrgassen kollidiert waren. Sie hatten sich wegen eines parkenden Sattelzuges nicht rechtzeitig sehen können. Der klagende Autofahrer kam dabei von rechts und meinte, dass er deshalb nicht für den Schaden hafte.
Die Vorinstanzen hatten bereits gemäß der Regelung zur Haftungsverteilung in § 17 Abs. 1 und Abs. 2 Straßenverkehrsgesetz (StVG) eine Haftungsquote von 70 zu 30 zugunsten des klagenden Fahrers angenommen. Zu dieser Quote kamen die Gerichte aber nicht wegen eines Verstoßes gegen § 8 Straßenverkehrsordnung (StVO), also "An Kreuzungen und Einmündungen hat die Vorfahrt, wer von rechts kommt". Vielmehr sei der beklagte Fahrer in der unübersichtlichen Situation schlicht zu schnell gefahren. Auf die Vorfahrsregel "rechts vor links" kam es den Gerichten nicht an.
Fahrbahnen auf Parkplätzen sind keine "Straßen"
Der BGH bestätigte nun die Entscheidung des Berufungsgerichts. Zwar sei die StVO grundsätzlich auch auf privaten Parkplätzen anwendbar, wenn diese wie hier für die Allgemeinheit zugänglich gemacht worden seien. Eine Anwendung der "Rechts-vor-links"-Regelung des § 8 StVO - ob unmittelbar oder mittelbar über die allgemeine Rücksichtnahmepflicht des § 1 Abs. 2 StVO - komme aber nicht in Betracht, da es sich bei den Fahrgassen auf dem Baumarktparkplatz nicht um eine "Kreuzung" handele. Eine Kreuzung liege nur vor, wenn "zwei Straßen" sich schnitten.
Eine Straße wiederum sei eine Fahrbahn, die dem fließenden Verkehr diene - also einem Verkehr, bei dem es den Teilnehmern auf ein möglichst ungehindertes Vorwärtskommen, auf ein zügiges Zurücklegen einer Strecke ankomme. Und dieser erforderliche eindeutige Straßencharakter fehle hier, so die Karlsruher Richter. Typischerweise seien die Parkplatzflächen - wie hier vor dem Baumarkt - vor allem zum Rangieren und zum Be- und Entladen da. Auch seien Leute zu Fuß unterwegs, was einer zügigen Fahrweise entgegenstehe. Strenge Vorfahrtsregeln seien hier nicht erforderlich.
Viele Autofahrer würden trotz der Entscheidung auch in Zukunft davon ausgehen, dass auch auf Parkplätzen "rechts vor links" als eingeschliffene Regel gilt, betonten die Richter. Es müsse daher immer damit gerechnet werden, dass sich der von rechts kommende Kraftfahrer - irrig - für vorfahrtberechtigt hält. Das sei aber kein Grund, den von rechts Kommenden zu privilegieren. Der müsse seinerseits darauf achten, dass auf Parkplätzen die Vorfahrtsregel grundsätzlich nicht gilt.
pab/LTO-Redaktion
Mit Material der dpa
BGH zum Straßenverkehrsrecht: . In: Legal Tribune Online, 11.01.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50721 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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