Weil sie mit der Zuweisung an einen anderen Senat nicht einverstanden war, legte eine Richterin am Bundesfinanzhof einfach die Arbeit nieder. Nun entschied der BGH, dass sie aus dem Dienst entlassen wird. Die Stelle bleibt vorerst unbesetzt.
Der Bundesfinanzhof (BFH) bleibt bis zur nächsten Bundesrichterwahl im ersten Quartal 2024 unterbesetzt. Grund dafür ist die zwangsweise Entlassung einer Richterin Anfang Mai. Weil diese sich über Jahre hinweg weigerte ihren dienstlichen Verpflichtungen nachzukommen, wurde sie aus dem Dienstverhältnis entfernt. Dies entschied der Bundesgerichtshof (BGH) (Urt. v. 04.05.2023, Az. RiSt 1/21) und gab damit der Klage des Bundesjustizministeriums (BMJ) statt.
Seit 2005 war Dr. Friederike Grube-Heyll Richterin am obersten Gericht in Finanzsachen. Jahrelang verrichtete sie ihren Dienst laut BGH-Urteil mit hohem Einsatz. 2016 wird sie dann gegen ihren Willen an einen anderen Senat versetzt. Der von ihr ersuchte einstweilige Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten blieb erfolglos, genau wie die letztlich erhobene Verfassungsbeschwerde. Aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (Az. 2 BvR 877/16) geht hervor, dass Grube-Heyll sich einer breit angelegten Intrige ihrer Kollegen ausgesetzt sah. Ihr würden vermehrt unangenehm zu bearbeitende Verfahren zugeteilt werden. Das sei kein Zufall, sondern Willkür. Das Verhältnis unter den Richtern im Senat geriet in Schieflage, schließlich beantragten ihre Kollegen die Versetzung der Richterin. Für den Fall, dass diese nicht einem anderen Senat zugewiesen werden sollte, wünschten sie die eigene Zuweisung zu einem anderen Senat. Eine Zusammenarbeit mit ihr sei nicht mehr möglich.
Zum 01. Januar 2019 wird Grube-Heyll erneut versetzt, diesmal an den X. Senat, der für Ertragssteuern zuständig ist. Auch diese Zuteilung hält sie für willkürlich, nicht mit der richterlichen Unabhängigkeit zu vereinbaren und daher für nichtig. Grube-Heyll lies sich für mehr als ein halbes Jahr krankschreiben und verweigerte daraufhin für knapp vier Jahre die Arbeit als Richterin am BFH. Sie fühlte sich nicht zu irgendeiner Art von Diensterbringung im X. Senat verpflichtet.
Nicht der X., sondern der XI. Senat sollte es sein
Ermahnungen und Aufforderungen zur Erbringung ihrer Arbeit nützten nichts. Die Richterin nahm weiterhin nicht an den Sitzungen "ihres" Senats teil. Stattdessen brachte Grube-Heyll gegenüber der Vorsitzenden zum Ausdruck sie gehöre "weiterhin nicht dem X. Senat" an. Ihr zugewiesene Akten schickte sie kommentarlos und unbearbeitet wieder an die Geschäftsstelle zurück.
Daraufhin wurde ein Disziplinarverfahren gegen die Richterin eingeleitet, das Ende 2020 an das BMJ abgegeben wurde, mit der Empfehlung, Klage auf Entfernung der Richterin aus dem Dienst zu erheben. Während Grube-Heyll im Jahr 2021 versuchte, eine Position als stellvertretende Senatsvorsitzende im XI. Senat vor dem Verwaltungsgericht München (Az. M 5 K 21.6181) zu erwirken, ging beim BGH als Dienstgericht des Bundes eine Klage ein.
Kein Recht auf Erledigung bestimmter Rechtsangelegenheiten
Nun entschied der BGH, dass Grube-Heyll aus dem Dienst zu entfernen sei. Seit 2019 habe sie keinerlei Amtsgeschäfte mehr verrichtet. Dadurch habe sie sich eines Dienstvergehens schuldig gemacht. Der BGH stellte fest, dass für Richter und Richterinnen grundsätzlich die formale Dienstleistungspflicht eines Beamten gilt. Aus der richterlichen Unabhängigkeit ergebe sich zwar, dass diese keiner festen Dienstzeiten unterliegen und ihre Arbeit nicht an der Gerichtsstelle verrichten müssen. Dennoch seien sie verpflichtet, sich mit vollem persönlichem Einsatz seinem Beruf zu widmen. "Entsprechend verstößt ein Richter gegen seine Amtspflicht, wenn er seine Dienstgeschäfte nicht nur ordnungswidrig, sondern über Jahre hinweg überhaupt nicht versieht, ohne beurlaubt oder dienstunfähig erkrankt zu sein.", hält der Senat fest.
Grube-Heyll könne sich auch nicht auf eine etwaige "Selbsthilfe" berufen, mit der sie sich gegen die Zuweisung an einen anderen als den gewünschten Senat wehren könnte. Die Zuweisung an einen anderen Senat sei bereits keine "unterwertige Beschäftigung". Es gebe kein "Recht eines Richters auf Erledigung bestimmter Rechtsangelegenheiten". Vielmehr müsse ein Richter grundsätzlich für jede Tätigkeit im Rahmen der gerichtlichen Zuständigkeit einsetzbar und einsatzbereit sein. Die Zuweisung sei daher auch nicht nichtig gewesen.
Weiterhin hält der BGH fest, dass Grube-Heyll durch ihr Verhalten jegliches Vertrauen ihrer Vorgesetzten als auch der Allgemeinheit verloren habe. Argumente, die "ihrer Weltsicht" widersprechen, habe sie zu keinem Zeitpunkt inhaltlich zur Kenntnis genommen. Die Entfernung aus dem Richterverhältnis sei daher die gebotene Maßnahme. Die Richterin habe "durch ihr Verhalten faktisch selbst das Dienstverhältnis aufgesagt." Die Entfernung aus dem Dienst sei daher konsequente Reaktion auf ihr Verhalten. Warum sträubte sich Grube-Heyll derart gegen die Versetzung? Eine LTO-Anfrage an die ehemalige Richterin blieb unbeantwortet.
Am BFH verzichtbar, in der Lehre aber sehr geschätzt
Die Entfernung aus dem Dienst bedeutet für die nunmehr ehemalige Richterin neben dem Verlust ihrer Stelle erhebliche finanzielle Folgen. Denn damit geht nach Angaben des Justizministeriums nicht nur das Gehalt, sondern auch die Altersversorgung verloren. Am BFH kam der Senat schon in den vergangenen Jahren ohne die Richterin aus, bis zur Neubesetzung werden ihre Aufgaben vertretungsweise übernommen. Der BFH bestätigte auf LTO-Nachfrage, dass vakante Stellen regelmäßig bis zur nächsten Wahl unbesetzt bleiben. Dies sei das übliche Vorgehen.
Neben ihrer - nun beendeten - Tätigkeit als BFH-Richterin, ist Grube-Heyll als Honorarprofessorin an der Universität Passau tätig. Auf LTO-Nachfrage teilte die Universität mit, ihr Beitrag zur Lehre der Universität Passau werde sehr geschätzt. Auch in diesem Semester gab sie dort noch eine Veranstaltung zum Umsatzsteuerrecht. Solange sie die Inhalte und Umfeld ihrer Tätigkeit weitgehend selbst gestalten kann, scheint Grube-Heyll der rechtswissenschaftlichen Arbeit also nicht abgeneigt zu sein.
mit Materialien der dpa
Stelle bleibt bis 2024 vakant: . In: Legal Tribune Online, 23.06.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52029 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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