BGH zum Fairnessausgleich im Urheberrecht: Mehr Geld für die "Por­sche-DNA"?

von Pauline Dietrich (LL.M.)

07.04.2022

Der Porsche 356 war der erste. Doch wer designte das gefeierte Gefährt und wie viel von ihm steckt in einer aktuellen Baureihe? Diese Frage, und ob der Erbin des Konstrukteurs im Nachgang mehr Geld zusteht, hat den BGH beschäftigt.

"Jeder Porsche muss ganz klar als Porsche erkennbar sein", sagte Michael Mauer, Leiter von Porsche Style, einst. Dieser Satz bringt auf den Punkt, womit sich der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem am Donnerstag verkündeten Urteil beschäftigen musste. Er bestätigte die Auffassung der Vorinstanz, wonach die Erbin des Urhebers der Karosserie des Porsche 356 keinen Anspruch auf Nachvergütung nach § 32a Abs. 1 Urheberrechtsgesetz (UrhG) hat. Allerdings muss der Fall trotzdem zur endgültigen Klärung nochmal an das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart zurück (Urt. v. 09.04.2022, Az. I ZR 222/20).

Der BGH hat sich mit der Klage der Tochter und Erbin des verstorbenen Ex-Leiters der Abteilung "Karosserie-Konstruktion" bei Porsche beschäftigt. Ihr Vater war im Rahmen dieser Tätigkeit mit der Entwicklung des ab 1950 produzierten Fahrzeugmodells Porsche 356, dem ersten zugelassenen Auto mit dem Namen "Porsche", und dessen seit 1963 gebauten Nachfolgemodell Porsche 911 befasst.

Die Tochter ist der Ansicht, dass ihr als Erbin und aus abgetretenem Recht von der Porsche AG eine angemessene Beteiligung an den Erlösen aus dem Verkauf der ab 2011 produzierten Baureihe 991 des Porsche 911 zustehe. Sie meint, dass bei den Fahrzeugen dieser Baureihe wesentliche Gestaltungsmerkmale der Ursprungsmodelle des Porsche 356 und 911 übernommen worden seien – und an deren Entwicklung, der "Porsche-DNA", sei ihr Vater als Urheber schließlich maßgeblich beteiligt gewesen.

Mehr Geld für die "Bestseller" unter den Werken

Daher stehe ihr nach § 32a Abs. 1 S. 1 UrhG ab dem 1. Januar 2014 eine angemessene Beteiligung an den Erlösen aus dem Verkauf der Baureihe 991 des 911 zu. Bei § 32a Abs. 1 UrhG handelt es sich um den sog. "Fairnessausgleich" des Urheberrechts oder auch den "Bestsellerparagraphen". Dieser inoffizielle Titel beschreibt auch ziemlich gut, was die Norm beinhaltet: Räumte ein oder eine Urheber:in anderen Nutzungsrechte an seinem oder ihrem Werk gegen eine zu geringe Gebühr ein, weil die Nutzung des Werkes im Nachhinein viel höhere Erträge erzielte, kann er oder sie eine Vertragsanpassung verlangen.

Der oder diejenige, der oder die das Werk verwerten darf, muss dann einwilligen, dem Urheber bzw. der Urheberin eine den Umständen nach weitere, angemessene Beteiligung zu gewähren – sprich, im Nachgang mehr Geld zu zahlen, weil die ursprünglich vereinbarte Summe sich im Nachhinein als zu gering herausgestellt hat. So soll eine faire Beteiligung der Urheber:innen sichergestellt werden. Insbesondere jungen und noch unbekannten Urheber:innen kann das helfen, die ihre Werke aus wirtschaftlicher Not oder rechtlicher Unerfahrenheit anderen gegen eine geringe Vergütung zur Verwertung überlassen, welche dann aber große Gewinne aus den Werken ziehen.

Sowohl das Landgericht (LG) also auch das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart lehnten einen Anspruch nach § 32a Abs. 1 UrhG im Fall der Tochter des Porsche-Konstrukteurs aber ab. In Bezug auf den Porsche 991 habe die Frau schon nicht beweisen können, dass ihr Vater dessen Miturheber sei. Gelungen ist ihr das aber beim älteren Modell, dem Porsche 356. Die Frau habe bewiesen, dass ihr Vater die äußere Gestaltung der Karosserie des Porsche 356 geschaffen und damit deren Urheber sei – schließlich handele es sich bei der Karosserie auch um ein Werk der angewandten Kunst nach dem UrhG. Darunter sind solche Werke zu verstehen, die zwar bestimmten Aufgaben dienen – wie hier der Konstruktion und dem Bau eines Sportwagens –, aber zugleich auch künstlerisch gestaltet sind.

"Verblasste" die "Porsche-DNA" – oder ist sie gar nicht mehr zu sehen?

Die Karosserie des Porsche 356 habe aber allenfalls als Anregung für die neue Gestaltung bei der in Frage stehenden Baureihe 991 des Porsche 911 gedient und sei damit in freier Benutzung nach § 24 Abs. 1 UrhG a.F. geschaffen worden.

Die freie Benutzung nach § 24 Abs. 1 UrhG a.F. gibt es in der Form seit Juli 2021 nicht mehr. Der Gesetzgeber hat sie wegen Unionsrechtswidrigkeit streichen müssen. Sie sollte Künstler:innen den Freiraum für künstlerische Auseinandersetzungen mit bereits vorhandenen Werken ermöglichen. Dazu musste ein fremdes Werk als Anregung genutzt und zu einer eigenen Neuschöpfung führen. Die Züge des fremden Werks müssten dann im neuen Werk "verblassen", damit es Eigenständigkeit im Vergleich zum benutzten Werk erfährt. Lagen diese Voraussetzungen vor, dann durfte das alte Werk vergütungs- und zustimmungsfrei genutzt werden.

Im Fall der Baureihe 991 des 911-er Porsche ist das nach Ansicht des OLG so gewesen. Unter anderem seien die aktuellen Baureihen noch deutlich stromlinienförmiger als das ursprüngliche Modell. Zudem weise die Frontansicht erhebliche Unterschiede auf. "Die kunstvolle Kombination von Kurven und Linien habe ersichtlich als Vorbild gedient", so das OLG Stuttgart in seinem Urteil. Die eigenschöpferischen Züge seien jedoch in einem Maße fortentwickelt worden, dass es sich insgesamt um selbstständige Werke mit eigenem Gestaltungsansatz handele – und damit um eine freie Benutzung.

OLG nahm Beweisangebot nicht an

Doch kann bei einem Werk, das quasi in freier Benutzung weiterentwickelt wurde, überhaupt ein Fairnessausgleich stattfinden? Schließlich geht es hier um den Gewinn an einer Neuschöpfung und nicht an dem ursprünglichen Werk. Das Problem hat das OLG auch gesehen – und einen Anspruch schließlich verneint.

Dem schloss sich der BGH nun grundsätzlich an und lehnte einen Anspruch ab. Das OLG muss allerdings trotzdem nochmal ran.

Das OLG habe im Ergebnis zu Recht angenommen, dass der Erbin keine Ansprüche nach § 32a Abs. 1 UrhG zustehen. Der BGH bestätigt den urheberrechtlichen Schutz der Gestaltung des Porsche 356 und auch, dass der Vater der Erbin der Urheber ist. Allerdings seien beim Vergleich der Fahrzeugmodelle die "den Urheberrechtsschutz des Porsche 356 begründenden Elemente in der Gestaltung des Porsche 911 nicht mehr wiederzuerkennen", so der BGH. Damit habe die Porsche AG mit der Herstellung und des Vertriebs der Porsche 911 schon gar nicht in Verwertungsrechte des Urhebers eingegriffen und damit steht dessen Erbin auch keine weitere Beteiligung zu. Deshalb, so der BGH, komme es gar nicht mehr darauf an, ob eine freie Benutzung im Sinne von § 24 Abs. 1 UrhG a.F. vorlag oder nicht.

Allerdings ist der BGH an einer anderen Stelle nicht der Meinung des OLG gefolgt – und zwar bei den Ansprüchen der Erbin in Bezug auf die Urheberrechte ihres Vaters am Ursprungsmodell des Porsche 911. Das OLG war der Ansicht, die Erbin habe nicht nachweisen können, dass ihr Vater die äußere Gestaltung des Wagens geschaffen habe. Die Erbin hatte jedoch ihren Ehemann als Zeugen dafür benannt, "dass ihr Vater diesem bei einem Besuch an seinem Arbeitsplatz klargemacht habe, dass der Porsche 911 und dessen Karosserie 'sein Auto, sein Entwurf' gewesen sei", so der BGH. Das OLG habe dieses Beweisangebot jedoch nicht angenommen.

Damit steigen die Chancen der Erbin nur minimal, vor dem OLG doch noch ihren "Fairnessausgleich" zu bekommen.

Fälle um den "Fairnessausgleich" tauchen in der Rechtsprechung immer wieder auf und naturgemäß handelt es sich jedes Mal um Werke des Urheberrechts, die die Gesellschaft geprägt haben – schließlich wären sie sonst nicht zu Bestsellern geworden und hätten im Nachhinein mehr Geld eingebracht, als eigentlich gedacht. Der bekannteste Rechtsstreit drehte sich um den Film "Das Boot", der ebenfalls vor dem BGH landete. Außerdem verlangt auch die Drehbuchautorin von Til Schweigers Kinohits "Keinohrhasen" und "Zweiohrküken" im Nachgang mehr Geld.

Zitiervorschlag

BGH zum Fairnessausgleich im Urheberrecht: . In: Legal Tribune Online, 07.04.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48061 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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