Streiks sind bei den Kirchen und ihren Sozialverbänden bislang tabu. Am heutigen Dienstag entscheidet das BAG in Erfurt, ob es bei dem Sonderweg bleibt. Die Caritas verteidigt ihn, Verdi hält dagegen. Die unteren Instanzen gaben bislang den Gewerkschaften recht. Auch Experten gehen davon aus, dass das Streikverbot fallen wird.
Bei Diakonie und Caritas mit zusammen 1,3 Millionen Mitarbeitern sind Streiks verboten. Die Tarife und Arbeitsbedingungen in Einrichtungen der Kirchen werden zumeist in paritätisch besetzten Kommissionen ausgehandelt. Kommt es dennoch zu keiner Einigung, gibt es einen Schlichterspruch. Streiks und Aussperrungen sind bei diesem so genannten "Dritten Weg" ausgeschlossen.
Jedoch haben Dumpinglöhne und Leiharbeit im Sozialsektor vor allem die Diakonie in Verruf gebracht. Die Gewerkschaft verdi fordert seit langem die tarifliche Anpassung des kirchlichen Dienstes an den öffentlichen Dienst. Im September 2009 kündigte Verdi Streiks in Diakonie-Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen an. Die Evangelische Kirche von Westfalen, die Landeskirche Hannover und deren diakonische Einrichtungen reichten vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Bielefeld Klage gegen Verdi ein.
Landesarbeitsgerichte stellen Streikverbot in Frage
Im März 2010 bestätigte das ArbG Bielefeld das Streikverbot. Das Landesarbeitsgericht (LAG) in Hamm stellte dann aber im Januar 2011 das Streikverbot in kirchlichen Einrichtungen infrage. Die Richter wiesen die Klage von Kirche und Diakonie gegen Verdi zurück. Auch das LAG Hamburg entschied, dass es der Gewerkschaft Marburger Bund nicht generell verboten ist, in Mitgliedseinrichtungen des kirchlichen Arbeitgeberverbandes VKDA-NEK zu streiken.
Nun verhandelt das Bundesarbeitsgericht (BAG) über das Streikrecht in kirchlichen Einrichtungen. Vor dem mit Spannung erwarteten Urteil hat Caritas-Präsident Peter-Maria Neher das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen verteidigt. Kirchenmitarbeiter hätten "nicht ein Weniger an Rechten", sondern es gebe ein anderes System der Tariffindung, erläuterte er am Dienstag im ARD-"Morgenmagazin". Demgegenüber fordert Verdi-Chef Bsirske, dass das Grundrecht auf Streik für alle gelten müsse.
Der Experte für kirchliches Arbeitsrecht Ulrich Hammer geht davon aus, dass das Streikrecht fallen wird. Und davon, dass Erfurt nicht die letzte Station der Parteien sein wird, sondern dass diese sich mindestens vor dem BVerfG wiedersehen werden - egal, wie die höchsten deutschen Arbeitsrichter am Dienstag entscheiden.
dpa/plö/LTO-Redaktion
BAG prüft Streikrecht: . In: Legal Tribune Online, 20.11.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7590 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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