BAG: Nur ausnahmsweise Durchgriff auf Vermögen von Muttergesellschaft

16.03.2011

Die Höhe des Sozialplans für die zahlungsunfähige Tochtergesellschaft eines Konzerns richtet sich in der Regel nur nach der Leistungsfähigkeit des insolventen Unternehmens selbst. Dies entschied das BAG am Dienstag.

Etwas anderes gilt nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts (BAG) nur dann, wenn der Mutterkonzern der Tochter vor ihrer Insolvenz Vermögen entzogen hat (Beschl. v. 15.03.2011, Az. 1 ABR 97/09).

Können sich Betriebsparteien nicht auf die Vereinbarung eines Sozialplans verständigen, entscheidet die Einigungsstelle. Bei ihrem Spruch hat sie gemäß § 112 Abs. 5 BetrVG die sozialen Belange der Arbeitnehmer zu berücksichtigen und auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit der Sozialplandotierung zu achten. Hierfür ist auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers (Unternehmens) abzustellen.

Dies gelte grundsätzlich auch für Sozialpläne konzernangehöriger Unternehmen. Sei allerdings ein solches Unternehmen durch eine Spaltung im Sinne des Umwandlungsgesetzes (UmwG) entstanden und seien dabei die zur Führung seines Betriebs wesentlichen Vermögensteile bei dem übertragenden Unternehmen als Anlagegesellschaft verblieben und dem später sozialplanpflichtigen Unternehmen als Betriebsgesellschaft lediglich zur Nutzung überlassen worden, müsse nach § 134 UmwG bei der Bestimmung des Sozialplanvolumens im Wege eines Bemessungsdurchgriffs auch die finanzielle Leistungsfähigkeit der Anlagegesellschaft berücksichtigt werden.

Die K-AG hat sechs Rehakliniken betrieben. Diese gliederte sie Anfang des Jahres 2006 auf sechs Betriebsgesellschaften aus. In fünf Fällen behielt die K-AG das Eigentum an den Klinikgrundstücken. Im sechsten, streitgegenständlichen Fall der O-Klinik GmbH (Arbeitgeberin) war die K-AG nur Pächterin der Klinikimmobilie gewesen. Ende 2006 beschloss die Arbeitgeberin, ihren hoch defizitären Klinikbetrieb einzustellen. Daraufhin wurde durch Spruch der Einigungsstelle ein Sozialplan mit einem Gesamtvolumen von 1,3 Millionen Euro aufgestellt. Zu dieser Zeit wies die Bilanz der Arbeitgeberin einen durch Eigenkapital nicht gedeckten Fehlbetrag von rund 3 Millionen Euro aus.

Nach Ansicht des BAG war der Einigungsstelle ein Bemessungsdurchgriff nach § 134 UmwG auf die vermögende K-AG verwehrt. Im Zuge der Ausgliederung seien der Arbeitgeberin keine für die Fortführung ihres Klinikbetriebs wesentlichen Vermögensteile entzogen worden. Der Spruch der Einigungsstelle überschreite die Grenzen der wirtschaftlichen Vertretbarkeit und verstoße deshalb gegen § 112 Abs. 5 BetrVG.

tko/LTO-Redaktion

 

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Zitiervorschlag

BAG: . In: Legal Tribune Online, 16.03.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2772 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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