Das Geldwäschegesetz wird mal wieder reformiert. Doch eine offensichtliche Schutzlücke bei Zwangsversteigerungen von Immobilien wird erneut nicht geschlossen. Das ist völlig unverständlich, meint Martin Thelen.
In einer spektakulären Aktion hat das Landgericht (LG) Berlin im Sommer 2018 insgesamt 77 Immobilien im Wert von rund neun Millionen Euro beschlagnahmt. Sie gehörten einer arabischstämmigen Großfamilie, vermeintlich finanziert mit Erlösen aus Straftaten. Es wurden mehrere Strafverfahren eingeleitet. Sechs Immobilien sind inzwischen rechtskräftig eingezogen worden.
Der Vorgang hat Deutschlands Geldwäscheproblem in das allgemeine Rampenlicht gerückt. Insbesondere der Immobiliensektor steht seitdem im Fokus. Die Erste Nationale Risikoanalyse der Bundesregierung sieht hier ein besonders hohes Risiko. Auch für die zentrale Anti-Geldwäscheeinheit (FIU) ist die Immobilienbranche ein Arbeitsschwerpunkt.
Die (vermeintlich) Schuldigen: die Notare
Die Schuldigen waren dabei schnell ausgemacht: die Notare. Der (Schnell-)Schluss lag nahe, schließlich müssen Immobilienkaufverträge in Deutschland zwingend notariell beurkundet werden. Und aus Sicht von Politik und Medien gab es dabei einen Widerspruch: Wie passt es zu dem hohen Geldwäscherisiko bei Immobilientransaktionen, dass die Notare (damals) nur so wenige Geldwäsche-Meldungen abgegeben haben? 2018 waren es acht, im Jahr darauf waren es 17. Dies lag zwar daran, dass die damalige Rechtslage eine Meldung durch Notare nur bei positiver Kenntnis der Geldwäsche erlaubte (§ 43 Abs. 2 Satz 2 GwG a.F.), während einer Meldung bei einem bloßen Verdacht die strafbewehrte Verschwiegenheitspflicht entgegenstand. Gleichwohl wurden die Zahlen als Indiz für eine fehlende Sensibilität der Notare bei der Geldwäschebekämpfung gesehen.
Hierauf reagierte der Gesetzgeber knapp ein Jahr nach den Beschlagnahmungen. Im Dezember 2019 verabschiedete er anlässlich der Umsetzung der Fünften EU-Geldwäscherichtlinie mehrere Vorschriften, durch die richtlinienüberschießend die Pflichten der Notare verschärft wurden. So wurden neue Sorgfaltspflichten eingeführt und insbesondere die Meldepflicht der Notare bei Immobiliengeschäften erheblich erweitert.
Auch der damalige Berliner Justizsenator Dirk Behrendt war nach den Beschlagnahmungen aktiv. Er gründete öffentlichkeitswirksam eine Task Force, die Notare auf die Einhaltung ihrer geldwäscherechtlichen Pflichten kontrollieren sollte. Auch brachte Berlin immer wieder – meist abgelehnte – Anträge im Bundesrat ein, mit denen die Pflichten der Notare weiter verschärft werden sollten.
Das (weitgehend) ignorierte Problem: Zwangsversteigerungen von Immobilien
Das Ironische dabei: Der Großteil der vom LG Berlin beschlagnahmten Immobilien soll gar nicht durch notariell beurkundeten Immobilienkaufvertrag erworben worden sein, sondern durch Zwangsversteigerungen bei Amtsgerichten. Weder die Berliner Justizverwaltung noch das LG Berlin äußerten sich dazu auf Anfrage. Nur die Berliner Generalstaatsanwaltschaft war zu einer Auskunft bereit, beschränkte diese aber auf die sechs rechtskräftig abgeschlossenen Fälle. Die Erkenntnis: In all diesen Fällen beruhte der Eigentumserwerb auf einer Zwangsversteigerung, durchgeführt von verschiedenen Berliner Amtsgerichten.
Die Berliner Justizverwaltung muss sich daher die Frage gefallen lassen, ob sie bei allem Aktionismus gegen die Notare vergessen hatte, auch bei den Gerichten einmal genauer hinzusehen. Dem Gesetzgeber kann man zumindest zugutehalten, dass er nicht gänzlich untätig blieb. Mit dem zum Januar 2020 in Kraft getretenen Gesetz zur Umsetzung der Fünften EU-Geldwäscherichtlinie wurden die Amtsgerichte erstmalig als Verpflichtete nach dem Geldwäschegesetz aufgenommen (siehe § 2 Abs. 3 GwG). Seitdem mussten sie – vorübergehend bis zur nächsten Gesetzesänderung – bei Zwangsversteigerungen von Immobilien die geldwäscherechtlichen Pflichten beachten.
Diese waren jedoch ohnehin – unverständlicherweise – im Vergleich zu den notariellen Pflichten deutlich eingeschränkt und galten im Übrigen nur bei Barzahlungen von mehr als 10.000 Euro. In allen anderen geldwäscherelevanten Fällen, in denen keine Barzahlungen getätigt werden, durften die Amtsgerichte weiter wegschauen, etwa bei einem Bezug zu einem Risikostaat oder bei einem auffälligen Missverhältnis zu den Einkommensverhältnissen des Erwerbers.
Pflichten der Amtsgerichte erst kaum relevant, dann entfallen
Gebracht hat die Gesetzesänderung dann praktisch fast nichts: Ende 2022 waren von den deutschlandweit knapp 600 Amtsgerichten gerade einmal sieben bei der FIU registriert. Diese haben in den Jahren 2020 und 2021 ganze zwei Geldwäsche-Meldungen abgegeben. Zum Vergleich: Im selben Zeitraum haben Notare über 8.000 Fälle gemeldet. Anders als bei den Notaren scheint sich jedoch niemand an den geringen Meldezahlen der Amtsgerichte zu stören. Dies mag auch daran liegen, dass sich diese Zahlen gar nicht im offiziellen Jahresbericht der FIU finden, sondern nur auf wiederholte Anfrage und unter Klageandrohung von der FIU mitgeteilt wurden.
Mit Einführung des Barzahlungsverbots zum 1. April 2023 ist die ausdrückliche Inpflichtnahme der Amtsgerichte bei Zwangsversteigerungen von Immobilien – in der Praxis ohnehin kaum beachtet – nun wieder entfallen. Denn seitdem ist es in Deutschland verboten, Immobilien mit Bargeld zu erwerben. Das Verbot gilt auch im Zwangsversteigerungsverfahren – und damit auch für die Gerichte.
Da die geldwäscherechtlichen Pflichten der Amtsgerichte bei Zwangsversteigerungen von Immobilen Barzahlungen von mehr als 10.000 Euro voraussetzen und solche Barzahlungen nunmehr verboten sind, hätte die Vorschrift richtigerweise angepasst werden müssen. Dies wurde nicht gemacht, obwohl im Rahmen der Verbandsanhörung auf den Normenwiderspruch hingewiesen wurde.
Schonung staatlicher Stellen bei der Geldwäschebekämpfung?
Sofern sich ein Amtsgericht überhaupt mit den zwischenzeitlich geltenden geldwäscherechtlichen Pflichten bei Zwangsversteigerungen von Immobilien beschäftigt haben sollte, kann es diese nun getrost wieder vergessen. Dabei bleiben die genannten Fälle, in denen die Umstände zumindest Hinweise auf Geldwäsche auch bei unbarer Zahlung geben – doch eine Pflicht zum Tätigwerden trifft die Gerichte nicht.
Demgegenüber wurden Notaren mit Einführung des Barzahlungsverbots sogar weitere Pflichten auferlegt. Sie müssen beim Immobilienkauf (Asset Deal) die Einhaltung des Verbots überwachen und Verstöße melden.
Dies ist nicht das einzige Beispiel für einen unverständlichen Wertungswiderspruch. So hat der Bundestag der Bundesregierung eigentlich aufgegeben, den Finanzbehörden die Überprüfung des Barzahlungsverbots bei Anteilskaufverträgen mit Immobilienbezug (Share Deals) aufzuerlegen. So soll sichergestellt werden, dass auch bei Share Deals das Barzahlungsverbot konsequent durchgesetzt wird. Dazu findet man jedoch im aktuellen Entwurf des Finanzkriminalitätsbekämpfungsgesetzes nichts.
Besonders bezeichnend ist seit jeher der Widerspruch bei Konsularbeamten. Diese haben dieselben Beurkundungskompetenzen wie Notare und werden daher auch als "Auslandsnotare" bezeichnet. Dennoch müssen sie sich im Unterschied zu (inländischen) Notaren nicht an das Geldwäschegesetz halten. Der Bundesrat sieht darin berechtigterweise eine "erhebliche Gesetzeslücke" und stellte deshalb einen Antrag, Konsularbeamte (zumindest teilweise) dem Geldwäschegesetz zu unterstellen. Dieser Antrag wurde jedoch weder von der Bundesregierung noch vom Bundestag aufgegriffen.
Es drängt sich daher der Eindruck auf, dass der Staat seine eigenen Behörden bei der Geldwäschebekämpfung schont, während er Dritten immer neue und aufwändige Pflichten auferlegt.
Statt offensichtliche Schutzlücken durch die Inanspruchnahme von Gerichten, Konsularbeamten und Finanzbehörden zu schließen, soll nun mit dem Bundesfinanzkriminalamt eine ganz neue Behörde geschaffen werden. Das mag medienwirksamer sein. Doch das Vertrauen in das deutsche System der Geldwäschebekämpfung fördert das (alleine) nicht.
Dr. Martin Thelen ist Notar in Köln. Vor seiner Ernennung zum Notar betreute er in der Geschäftsführung der Bundesnotarkammer das Referat für Geldwäscherecht. Zu diesem Thema referiert und publiziert er regelmäßig.
Schutzlücken bei Zwangsversteigerungen: . In: Legal Tribune Online, 21.09.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52753 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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