2/2 Die Schiedsgerichtsbarkeit 2.0 ist viel kostengünstiger und schneller
Das Konzept der Online-Streitbeilegung durch die Crowd kommt mit einigen Vorteilen daher, die dem herkömmlichen Schiedsverfahren immer wieder abgesprochen werden.
Ein traditionelles Schiedsverfahren kann ziemlich teuer werden. Auch wenn ein Schiedsverfahren im Vergleich zu manch staatlichen Gerichtssystem Streitigkeiten schneller entscheidet, sind die Kosten dabei nicht unerheblich. Zudem kommen immer auch noch die Kosten eines Rechtsanwalts hinzu, ohne dessen Beratung die Durchführung eines Schiedsverfahrens meist nicht möglich ist. Demgegenüber sind die Kosten bei einer Online-Streitbeilegung durch die Crowd viel geringer. Nicht zuletzt, weil ein transparenter Markt für Schiedsrichter entsteht, der die Kosten drückt.
Auch in Bezug auf die Geschwindigkeit werden neue Maßstäbe aufgestellt. Zwar hat sich gerade die Schiedsverfahrenspraxis in den letzten Jahren an den Trend der schnellen Entscheidungsfindung angepasst. Beispielsweise sehen einige Schiedsinstitutionen bei geringen Streitwerten die Möglichkeit eines beschleunigten Verfahrens vor. Doch mit der Online-Entscheidung durch die Crowd kann selbst dieses Verfahren bei weitem nicht mithalten.
Demgegenüber wird aber auch nicht wie im staatlichen Gerichtsverfahren aufgrund von Rechtsnormen entschieden, die in einem strukturierten Verfahren durch den legitimierten Gesetzgeber erlassen wurden. Auch die ausdifferenzierten Regelungen der Prozessordnungen finden keine Anwendung. Das darauf unter bestimmten Voraussetzungen verzichtet werden kann, hat aber die alternative Streitbeilegung bereits bewiesen. Besonders bei im Internet regelmäßig vorkommenden grenzüberschreitenden Sachverhalten ist es vielleicht sogar von Vorteil nicht an die Gesetze eines einzelnen Landes gebunden zu sein.
Neue Konzepte, neue Märkte und neue Fragen
Die digitale Transformation der Streitbeilegung führt zu neuen Fragen. Sind solche Entscheidungen durch anonyme Schiedsgerichte rechtlich zulässig und unter welchen Voraussetzungen sind diese für die Parteien rechtlich sogar bindend? Müssen oder sollten beim Verfahren bestimmte Mindeststandards eingehalten werden oder stellt der Ordre-Public-Vorbehalt das einzige Sicherheitsnetz dar?
Ob Unternehmen oder Privatpersonen ihr rechtliches Schicksal tatsächlich in die Hände von anonymen Laien legen wollen, wird sich zeigen. Gerade bei komplexen und existenzbedrohenden Streitigkeiten werden sich viele auch weiterhin für den ausgebildeten und erfahrenen staatlichen Richter oder privaten Schiedsrichter entscheiden.
Ein großer Nachteil von anonymen Streitbeilegern im Internet ist, dass die Entscheidungsfreiheit der Parteien bei der Schiedsrichterwahl – und damit das Kernstück des Schiedsverfahrens – in herkömmlicher Art und Weise verloren geht. Zwar können die Parteien anhand der Bewertungen und Erfahrungen wählen. Dies ersetzt jedoch nicht die derzeitige Praxis des intensiven Auswahlprozesses von potentiellen Schiedsrichtern. Hinzu kommen die rechtlichen Unsicherheiten unter anderem hinsichtlich der Finalität der Entscheidung.
Das alles sind Kriterien, die Unternehmen und Privatpersonen von der Nutzung abhalten könnten. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass solche Konzepte einen geeigneten Markt mit risikobereiten Parteien und passenden Streitigkeiten finden werden. Auf jeden Fall handelt es sich um ein interessantes und innovatives Konzept, von dem man sich inspirieren lassen kann.
Die Autorin Ann-Kristin Becker ist Rechtsreferendarin in Hamburg mit internationaler Erfahrung im Prozess- und Schiedsverfahrensrecht sowie Vorsitzende des Vis Moot Court Alumni Vereins der Universität Hamburg.
Der Autor Nico Kuhlmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Hogan Lovells International LLP in Hamburg, Gründer des Hamburg Legal Tech Meetups und Blogger für den Legal-Tech-Blog.de.
Nico Kuhlmann, Legal Tech und Streitbeilegung: . In: Legal Tribune Online, 25.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25695 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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