Juve nach den Absprachen zu Ranking-Publikation: "Jeder sieht, dass es nichts bringt – außer Ärger"

Interview von Tanja Podolski

19.07.2024

Ein Mitarbeiter des Juve Verlags hatte Kanzleien seine Texte für eine Ranking-Publikation vorgelegt. Juve-Geschäftsführer Jörn Poppelbaum erzählt im Interview, wie die Redaktion das Vorkommnis aufgearbeitet hat und was sich jetzt ändert.

LTO: Am Mittwoch erschien das Juve-Handbuch Steuern. Beim Erstellen ist bei Juve aber der Super-Gau aufgetreten – es gab Absprachen zwischen einem Redakteur und Kanzleien. Was ist genau passiert? 

Jörn Poppelbaum: Die Produktion des Juve Handbuchs Steuern fiel genau in diese Zeit, sodass wir den Termin für die Veröffentlichung einmal verschoben haben. Das bedeutet nicht, dass das auch die betroffene Publikation ist.  

Ein Redaktionsmitglied des Juve Verlages hat Bewertungstexte für eine der Juve-Ranking-Publikationen geschrieben und der jeweiligen Kanzlei vorgelegt oder Texte aus der Vorauflage verschickt und um Anmerkungen für eine Aktualisierung gebeten. Teilweise wurden auch Formulierungen aus den von den Kanzleien eingesendeten Hinweisen übernommen.  

Bei der Vorlage der Texte hat die Person gefragt, ob das so hinkommt und die Bewertung der Tätigkeit entspricht, und den Kanzleien angeboten, ansonsten einfach selbst etwas zu ergänzen oder zu streichen.  

Anwält:innen in den Kanzleien oder die Marketingabteilungen sind darauf teilweise eingegangen.  

Wir sprechen insofern davon, dass Texte "zur Abstimmung" vorgelegt wurden. "Absprache" klingt dramatischer als es ist, das war hier höchstens der Versuch einer Absprache. 

Nach unseren Informationen ist das Juve-Handbuch Steuern die betroffene Publikation. Wenn Juve den Vorfall transparent aufklären will, warum teilt der Verlag nicht mit, um welches Handbuch es geht? 

Weil es am Ende keine Rolle spielt, da alle unsere Rankingpublikationen denselben Qualitätsstandards unterliegen. Zudem möchten wir nicht, dass einzelne Publikationen oder Publikationsteams unter Generalverdacht gestellt werden. 

Was bedeutet der Vorgang für die Glaubwürdigkeit von Juve?  

Juve lebt von der Unabhängigkeit der Redaktion. Die Redakteur:innen bekommen zwar Informationen von den Kanzleien, aber wie sie diese einordnen und bewerten, liegt bei den Journalist:innen und zwar – auch wenn es manche seit Jahren anders behaupten – unabhängig von Anzeigen oder eben Absprachen oder Abstimmungen.  

Dass auf diese Art ein unabhängiges Ranking entsteht, ist essenziell für unsere Glaubwürdigkeit. Das Vorgehen war also eine Verletzung der ganz grundlegenden Redaktionsleitlinien und hat ja auch deshalb für entsprechende Verwunderung bei Kanzleien gesorgt. Sie haben daher Redaktionsmitglieder kontaktiert und nachgefragt, ob Juve nach 25 Jahren nun anders arbeiten würde.  

"Jeder weiß, dass man Texte zu den Kanzleien nicht vorlegt" 

War der Mitarbeiter noch neu beim Juve Verlag und wusste es nicht besser? 

Dazu kann ich nichts Konkretes sagen.  

Was ich aber sagen kann ist, dass es keine Rolle spielt, wie lange man dabei ist. Egal ob man seit drei Jahren oder seit drei Monaten dabei ist: jeder weiß, wie Juve arbeitet und, dass man die Texte zu den Kanzleien – wir nennen sie Einträge – auf keinen Fall vorlegt. Das weiß auch jeder in der Branche und es entspricht allgemeinen journalistischen Standards.  

Wie hat Juve den Vorgang aufgearbeitet. Nach LTO-Information hat sich der Verlag vom Mitarbeiter getrennt, stimmt das? 

Wir haben die Person mit unseren Erkenntnissen konfrontiert und natürlich um Stellungnahme gebeten. Mehr möchte ich dazu aus rechtlichen Gründen nicht sagen.  

Hat Juve herausfinden können, mit wie vielen Kanzleien es Absprachen gab? 

Ja, wir haben durch die Nachrecherchen ein sehr genaues Bild zeichnen können. Hier allerdings nur so viel: Es wurde eine kleine bis mittlere zweistellige Anzahl von Einträgen zur Abstimmung vorgelegt, also zwischen zehn und 40. Einige Kanzleien haben das interessanterweise auch gar nicht als Absprache empfunden, sondern als ungewöhnliche Art, sich inhaltlich anzunähern. 

"Bewertungstext und unsere Einschätzung zu den Kanzleien fielen völlig auseinander" 

Welchen Teil des Handbuchs haben die Absprachen betroffen? 

Die Abstimmungsversuche in einer Publikation betrafen die Bewertungstexte. Das ist die rein textliche Darstellung unserer Einschätzung der Arbeit von Kanzleien. Das Ranking hingegen ist die Einordnung nach Marktbedeutung in einer Tabelle, in der wir die Kanzleien mit einem bis zu fünf Sternen bewerten. Am Ende passen unsere Analyse und die entsprechenden Formulierungen in den Texten natürlich zu der Einordnung im Ranking. Wenn also im Bewertungstext eine Kanzlei stark dargestellt wird, hat das auch Auswirkungen auf das Ranking.

(c) JUVE Verlag

Wenn ein Text von einer Marketingabteilung so aufbereitet wird, dass die Kanzlei rein textlich plötzlich in die höchste Kategorie eingeordnet werden müsste und die Kanzlei damit neuerdings eine führende Kanzlei in einem Marktsegment würde, wir das aber seit Jahren anders bewertet haben, dann fallen natürlich der Text und unsere Einschätzung völlig auseinander. Durch diese Diskrepanz sind dann unter anderem auch die redaktionellen Verstöße aufgefallen. 

Wie sind die Arbeitsabläufe, dass das auffallen konnte? 

Bei Juve arbeiten in aller Regel mehrere Leute an einem Kapitel. Sie lesen die Einträge gegenseitig, besprechen sie und erstellen dann auch in einem gemeinsamen Meeting das Ranking, nachdem alle Einträge fertig sind. Danach wird alles noch von anderen Redakteur:innen gelesen und auf Stimmigkeit gecheckt. Die Idee ist, sich gegenseitig zu inspirieren und zu hinterfragen – es ist aber, wie sich jetzt gezeigt hat, auch eine gute Methode für Selbstkontrolle. Die Methode hätte übrigens auch in diesem Fall dazu geführt, dass keiner der betroffenen Texte jemals in der abgestimmten Version veröffentlicht worden wäre. Denn nichts verlässt das Redigat so wie es hineingegangen ist.  

"Wir gehen davon aus, dass das der erste Fall war" 

Konnte Juve sicherstellen, dass es bei früheren Handbüchern keine Absprachen gab? 

Wir gehen fest davon aus. Denn hier sind die Ungereimtheiten unter anderem aufgefallen, weil Formulierungen von Marketingpersonen übernommen wurden und die Einschätzungen nicht stimmig waren. Das merkt man als Redakteur:in mit Erfahrung – und so etwas hatten wir noch nie. Zudem sind ja Kanzleien auf uns zugekommen und haben gesagt, dass hier jemand anders arbeitet, als sie es von Juve gewöhnt sind – ob sich in der Arbeitsweise etwas geändert habe.  

Das gab es vorher auch noch nie. Wir gehen also davon aus, dass dies der erste Fall war.  

Wie ist Juve vorgegangen, als die Redaktion davon erfahren hat?  

Von einigen Kanzleien wussten wir durch die Nachfragen konkret, dass es Abstimmungen gab. Wir sind außerdem mit unserer eigenen Meldung an die Öffentlichkeit gegangen und haben Kanzleien aufgefordert, sich bei Unregelmäßigkeiten an uns zu wenden.  

Bei Juve ist jedes Redaktionsmitglied für bestimmte Kanzleien zuständig. Wir haben alle diese Kanzleien angeschrieben und konkret gefragt, ob Texte zur Abstimmung vorgelegt wurden. Und wenn schriftlich Bewertungstexte ausgetauscht oder kommentiert wurden, haben andere Redaktionsmitglieder diese Gespräche neu geführt und die Texte komplett neu erstellt.  

"Wir wollen Transparenz im Rechtsmarkt und sind selbst transparent" 

Für Kritiker ist das ein gefundenes Fressen. Was sagt Juve denen? 

Wir sagen das, was wir immer gesagt haben: Wir wollen Transparenz im Rechtsmarkt und sind selbst transparent, das war auch der Grund, warum wir selbst sofort an die Öffentlichkeit gegangen sind. Wir wollten jegliches Getuschel und Spekulationen dazu unterbinden, ob man jetzt doch die Einträge irgendwie beeinflussen kann, was alles nicht der Wahrheit entsprochen hätte. Diese Vorgehensweise eines Redaktionsmitgliedes war ein Verstoß gegen Juve-Standards. Punkt. 

Wir hatten, wollen und dulden keine Abstimmungen weder inhaltlicher Natur noch wegen irgendwelcher persönlicher Vorlieben für irgendwelche Partner:innen und auch nicht wegen Anzeigen. Das ist der klassische Vorwurf, der noch nie gestimmt hat. Auch nach 25 Jahren gibt es aber immer noch Kanzleien, die sich wundern, dass eine Anzeigenschaltung bei Juve keinen positiven Effekt auf den Eintrag hat. 

Welche Regeln gibt es noch bei Juve, um ähnlichen Mutmaßungen zu begegnen? 

Wir lassen uns natürlich keine Hotels und auch nicht sonstige Fahrtkosten bezahlen, Weihnachtsgeschenke geben wir intern am Empfang ab, die werden unter allen Mitarbeitenden von Juve dann verlost.  

Was man noch diskutieren kann, ist, dass wir mit Anwält:innen Essen gehen und uns dann auch mal zum Essen einladen lassen. Wir brauchen aber ein Vertrauensverhältnis, und beim Essen lässt sich nun mal gut miteinander reden.  

"Sensibilität durch den Vorfall nochmal gestiegen" 

Juve hatte erst im vergangenen Jahr die Geschäftsführung neu aufgestellt, die letzten beiden aus dem Gründungsteam und die jahrelange Geschäftsleitung sind Ende 2023 ausgeschieden – jetzt startet die neue Geschäftsleitung mit so einem Skandal. Was bedeutet das für das neue Team? 

Wir mussten direkt beweisen, wie vertrauensvoll, schnell und effizient wir zusammenarbeiten können. Wir haben jetzt eine vierköpfige Geschäftsleitung mit klaren Zuständigkeiten. Das hat sehr geholfen, weil ich mich um diesen Vorfall kümmern konnte, und die anderen sich mit den anderen Aufgaben weiter befassen und so die Verlagsgeschäfte am Laufen halten konnten. Dass unsere Breite sinnvoll ist, war also eine gute Erkenntnis.  

Wie wird Juve sicherstellen, dass so etwas wie jetzt künftig nicht wieder vorkommt? 

Einerseits haben wir interne Richtlinien präzisiert und verschärft. Zudem ist die Sensibilität bei allen durch den Vorfall nochmal gestiegen, so dass ich glaube, dass niemand mehr wagt, Texte abzustimmen, und vor allem jeder sieht, dass es nichts bringt – außer Ärger.  

Vielen Dank für das Gespräch.  

Transparenzhinweis: Die Autorin war bei Juve als Redakteurin angestellt und hat das Unternehmen im Jahre 2013 verlassen. 

Zitiervorschlag

Juve nach den Absprachen zu Ranking-Publikation: "Jeder sieht, dass es nichts bringt – außer Ärger" . In: Legal Tribune Online, 19.07.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55019/ (abgerufen am: 19.07.2024 )

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