Wegen Durchsuchungen vor Bundestagswahl: Jus­tiz­mi­nis­te­rium ver­klagt Staats­an­walt­schaft Osn­a­brück

von Dr. Markus Sehl

03.06.2022

Die Durchsuchungen der Staatsanwaltschaft Osnabrück in Bundesministerien vor der Bundestagswahl 2021 stufte das LG Osnabrück als rechtswidrig ein. Nun geht es vor dem VG um die Rechtmäßigkeit der Pressearbeit der Staatsanwaltschaft.

Als die Osnabrücker Staatsanwaltschaft kurz vor der Bundestagswahl im September 2021 das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) und das Bundesfinanzministerium (BMF) in Berlin durchsuchen ließ, sorgte das für einige Unruhe im Umfeld vom damaligen Finanzminister und Kanzlerkandidat Olaf Scholz (SPD). Insbesondere stand die Frage im Raum, ob die Durchsuchung politisch motiviert war. Das LG Osnabrück erklärte die Durchsuchung später für rechtswidrig, sie sei unverhältnismäßig gewesen.

Hintergrund der Durchsuchung war ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt. Details zu den Ermittlungen und der Vorgeschichte der Durchsuchung haben spätere Befragungen im Landtag Anfang 2022 hervorgebracht.

Bei der bundesweit tätigen Antigeldwäscheeinheit FIU waren Geldwäscheverdachtsanzeigen eingegangen, die jedoch nicht an die Ermittlungsbehörden weitergeleitet wurden. Die Staatsanwaltschaft war bei ihren Ermittlungen auf der Suche nach einem bestimmten Schriftstück des BMJV, auf eine telefonische Anfrage wurde die Herausgabe aus dem BMJV abgelehnt. Das Schreiben enthalte vertrauliche Informationen, außerdem sei der "Dienstweg" einzuhalten, sagte der zuständige Referatsleiter am Telefon. Anstatt sich allerdings offiziell nochmal schriftlich an das BMJV zu wenden, beantragte die Staatsanwältin die Durchsuchungen in Berlin. Die Vorgeschichte zur Durchsuchung liest sich an zentralen Stellen wie eine Pannen-Geschichte, die Kommunikation zwischen Staatsanwaltschaft, Generalstaatsanwaltschaft und dem niedersächsischen Justizministerium von Barbara Havliza (CDU) wirkt merkwürdig lückenhaft. 

Justizministerium verklagt die Staatsanwaltschaft wegen Pressemitteilung

Die Staatsanwaltschaft hatte am 9. September 2021 zu den Durchsuchungen eine Pressemitteilung veröffentlicht. Sie ist mittlerweile aus dem Netz genommen worden, darin hieß es: "Ziel der heutigen Durchsuchungen ist es, den Straftatverdacht und insbesondere individuelle Verantwortlichkeiten weiter aufzuklären. Es soll unter anderem untersucht werden, ob und gegebenenfalls inwieweit die Leitung sowie Verantwortliche der Ministerien sowie vorgesetzte Dienststellen in Entscheidungen der FIU eingebunden waren."

Das Bundesjustizministerium klagt gegen die Staatsanwaltschaft - ein ziemlich einmaliger Vorgang - und fordert die Rechtswidrigkeit der Passage in der Pressemitteilung festzustellen. Die nähere Begründung der Klage war am Freitagnachmittag nicht mehr in Erfahrung zu bringen. Offenbar wendet sich das Justizministerium gegen die Formulierung "Durchsuchung" in der Pressemitteilung.

Außerdem will das Ministerium die Unterlassung einer Äußerung der niedersächsischen Ermittlungsbehörde erreichen. Hintergrund ist ein Spiegel-Online-Beitrag vom 10. September, in dem ein Sprecher der Staatsanwaltschaft zu den Durchsuchungen mit dem Satz zitiert wird: "So groß ist unser Vertrauen nicht, dass wir glauben, sie würden uns alles freiwillig herausgeben." 

Erst weit über einen Monat nach Pressemitteilung und Äußerung des Pressesprechers und zwar am 22. Oktober verlangte das BMJV die Unterlassung der Äußerungen von der Staatanwaltschaft, am 25. Oktober teilte die Staatsanwaltschaft dem Ministerium mit, dass die Pressemitteilung aus dem Netz genommen wurde. Dem BMJV genügte das offenbar nicht. Es reichte am 18. November Klage beim Verwaltungsgericht (VG) Osnabrück ein. 

Auf Anfrage von LTO wollte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft sich zu dem laufenden Verfahren nicht äußern. In der Pressestelle des BMJ war bis zum Erscheinen dieses Beitrags niemand mehr zu erreichen.

Verhandlung - und Verkündung am 8. Juni in Osnabrück?

In der kommenden Woche, am 8. Juni, wird der Fall nun beim Verwaltungsgericht (VG) Osnabrück verhandelt (Az. 1 A 199/21). Die Verhandlung ist für 11.30 Uhr terminiert, um 13 Uhr hat die Kammer nach Angaben der Gerichtssprecherin bereits den nächsten Termin angesetzt, es wird eine kompakte Verhandlung werden. Regelmäßig wird am VG nach der Verhandlung auch gleich die Entscheidung verkündet.

Zitiervorschlag

Wegen Durchsuchungen vor Bundestagswahl: . In: Legal Tribune Online, 03.06.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48664 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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