Weil es an Richterinnen und Richtern fehlt, wurden in Schleswig-Holstein im letzten Jahr 11 Strafgefangene aus der Haft entlassen. Der Richterverband schlägt Alarm - und das nicht zum ersten Mal.
Der Schleswig-Holsteinischen Richterverband hat die Landesregierung und den Landtag in Kiel aufgefordert, die Personalausstattung der Justiz zu verbessern. Kernaufgaben des Rechtsstaats dürften nicht wegen Personalmangels auf der Strecke bleiben, teilte der Verband am Montag mit. Hintergrund ist, dass Verdächtige aus der Untersuchungshaft entlassen wurden, weil ihre Verfahren zu lange dauerten.
2021 gab es in Deutschland mindestens 66 solcher Fälle. Zuletzt hob auch das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt die Haftbefehle von sechs Strafgefangenen auf, weil es an Personal fehlte. Schleswig-Holstein und Sachsen meldeten mit je 11 Haftentlassungen die höchsten Zahlen.
Hintergrund der Haftentlassungen ist die Zeitspanne von Haftbeginn bis zur Verhandlung, welche auf sechs Monate begrenzt ist. Wird der Zeitraum überschritten, sind Inhaftierte unabhängig von der Schwere des Tatvorwurfs zu entlassen. Über die Lage im Land berichtet Justizministerin Kerstin von der Decken (CDU) am Mittwoch dem Innen- und Rechtsausschuss des Landtags.
Es droht ein Versagen der Strafverfolgung
Die Situation mache sie betroffen, sagte auch die Landesvorsitzende des Schleswig-Holsteinischen Richterverbandes, Christine Schmehl. "Seit Jahren weisen wir darauf hin, dass der Justiz in erheblichem Umfang Personal fehlt." Mit aller Kraft versuchten Gerichte und Staatsanwaltschaften, Fristüberschreitungen zu vermeiden, erläuterte der Richterverband. Gelinge dies nicht, drohten ein Versagen der Strafverfolgung und ein Vertrauensverlust in Justiz und Rechtsstaat.
"Allein in den Geschäftsstellen der Gerichte und Staatsanwaltschaften liegt sogar das von der Politik anerkannte Fehl immer noch bei weit über 100 Kräften", so Schmehl. Überall seien die Kollegen längst an ihre Grenzen gestoßen.
Der Richter-Personalbestand entspreche nicht einmal dem veralteten Standard von 2014, hieß es weiter. Seither sei der Arbeitsaufwand pro Fall noch erheblich gestiegen, in den großen Strafverfahren um rund 50 Prozent. "Es ist mit Händen zu greifen, dass die gesamte Personalberechnung mit ihrem veralteten, realitätsfernen Rechenwerk hinten und vorne nicht aufgeht", sagte Schmehl.
dpa/ku/LTO-Redaktion
Schleswig-Holsteinischer Richterverband schlägt Alarm: . In: Legal Tribune Online, 15.08.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49321 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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