Die Vizepräsidentin der EU-Kommission hat sich besorgt gezeigt, dass die ungarischen Medien kaum Kritik an ihrer Regierung üben. Viktor Orban nimmt diese Kritik wiederum zum Anlass, ihren Rücktritt zu fordern.
Ungarns Regierungschef Viktor Orban hat den Rücktritt der Vizepräsidentin der EU-Kommission, Vera Jourova, verlangt. "Indem die Kommissionsvizepräsidentin Ungarn eine 'kranke Demokratie' nannte, hat sie Ungarn und die ungarischen Menschen beleidigt", schrieb der rechtsnationale Politiker in einem Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Diese wies Orbans Forderung jedoch umgehend zurück. Eine Sprecherin verwies am Dienstagdarauf, dass Jourova das "vollste Vertrauen" der Kommissionschefin habe. Beide arbeiteten eng miteinander zusammen.
Orban fügte nach einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur MIT vom Dienstag hinzu, dass sein Land "die bilateralen Beziehungen zur Vizepräsidentin der Kommission ausgesetzt" habe. Ihre Entfernung aus dem Amt sei "unerlässlich und notwendig".
Jourova, die auch EU-Kommissarin für Werte und Transparenz ist, hatte in einem Interview des Magazins Der Spiegel den Zustand der ungarischen Medienlandschaft als "alarmierend" bezeichnet. In den dortigen Medien gebe es kaum noch Kritik an der Regierung, so dass eine große Mehrheit der Ungarn womöglich gar nicht mehr in der Lagesei, sich eine freie Meinung zu bilden. Über Orban sagte die Tschechin: "Ich würde sagen: Er baut eine kranke Demokratie auf."
Die Sprecherin von der Leyens betonte am Dienstag, die Bedenken der EU-Kommission mit Blick auf den Rechtsstaat seien wohl bekannt. Sie würden auch in den Rechtsstaatsberichten angesprochen, die die Behörde am Mittwoch vorlegen wolle. Darin wird erstmals systematisch der Zustand von Medienfreiheit, Demokratie und Korruptionsbekämpfung in allen EU-Staaten untersucht. Mit Blick auf den Rechtsstaat sollten sie eigentlich ein "Werkzeug für den Dialog" sein, betonte die Sprecherin. Ein anderer Sprecher ergänzte, dass man jederzeit zum Dialog bereit sei. "Unsere Türen sind offen." Auf den Brief werde man antworten.
Orban regiert seit 2010 mit zunehmend autoritären Methoden. Die meisten unabhängigen Medien ließ er durch wirtschaftlichen Druck und Aufkäufe durch regierungsnahe Oligarchen ausschalten. Im Juli brachten Geschäftsleute das letzte große unabhängige Internet-Portal "index.hu" unter ihre Kontrolle. Die von Orban-Getreuen geschaffeneStiftung Kesma gebietet über ein Konglomerat von fast 500 Medien - darunter Fernseh- und Radiosender, Zeitungen und Internet-Portale.
dpa/pdi/LTO-Redaktion
Nach Kritik an Ungarns Medien: . In: Legal Tribune Online, 29.09.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42952 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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