BayObLG München zur Meinungsfreiheit: "Eklig par­tei­i­scher Amts­richter" ist eine Belei­di­gung

von Katharina Uharek

21.07.2022

Vor Gericht gewonnen, aber doch unzufrieden: Weil ein Mann mit der Kostenentscheidung des Gerichts nicht einverstanden war, ging er gegen den Richter vor - mit Dienstaufsichtsbeschwerde und Verbalattacke. Die ging für ihn nun nach hinten los.

Ein promovierter Mediziner im Ruhestand ist wegen Beleidigung (§ 185 StGB) eines Richters vom Bayerische Obersten Landesgericht (BayObLG) zu Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von 1.500 Euro verurteilt worden (Beschl. v. 04.07.2022, Az. 202 StRR 61/22). Der Mediziner und der betroffene Richter teilen eine gemeinsame Vorgeschichte.

So hatte der Mediziner zunächst erfolgreich in einem Zivilprozess vor dem Amtsgericht (AG) auf Räumung seiner Eigentumswohnung geklagt. Der damals zuständige Richter traf danach aber eine Kostenentscheidung mit weitreichenden Folgen, wie sich herausstellen sollte. Denn nach Abschluss des Verfahrens hatte das Gericht den Mediziner als Zweitschuldner für die Gerichtskosten in Anspruch genommen, die er sich dann von der unterlegenen Gegenseite hätte wieder holen können. Das ist soweit übliche Praxis.

Mit der Tatsache, dass er sich den ausstehenden Betrag aber selbst aktiv von der Gegenseite wiederholen musste, wollte sich der in dem Zivilverfahren obsiegende Mediziner aber nicht zufrieden geben. Trotz mehrfacher Erklärungsversuche seitens des Amtsrichters, dass eine Gerichtskostenentscheidung wie diese absolut üblich sei, übersendete der Mediziner eine Dienstaufsichtsbeschwerde an den Präsidenten des Landgerichts. In dem Schreiben führte er wörtlich aus: "Wegen Entnahme von Geld aus einem Guthaben von mir (monatelang (!) ohne mich zu benachrichtigen!!?), um - ohne Not - die Schuld eines Dritten (!!?) zu begleichen!!? § 266 StGB (Untreue)."

In einer beigefügten Anlage zu der Dienstaufsichtsbeschwerde bezeichnete der Mediziner den Richter am Amtsgericht unter namentlicher Nennung als "ekelig [sic!] parteiischen Amtsrichter" und wertete dessen Verhalten als "schikanöse Schandtat".

So kam es nach dem erfolgreichen Zivilverfahren zu einer Strafverfahren gegen den Mediziner. Das Amtsgericht Bayreuth verurteilte ihn wegen übler Nachrede (186 StGB) zu einer Geldstrafe in Höhe von 900 Euro (30 Tagessätze á 30 Euro). Die Berufung des Mannes blieb nicht nur erfolglos: Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hin erhöhte das Berufungsgericht den Tagessatz sogar noch auf 50 Euro, was die Geldstrafe auf insgesamt 1.500 Euro erhöhte.

Beleidigung statt übler Nachrede

Nun entschied auch das BayObLG zulasten des Mediziners und verwarf dessen Revision als unbegründet. Es hielt zwar nicht den Tatbestand der Üblen Nachrede für erfüllt, wohl aber den der Beleidigung.

Der unbegründete Vorwurf der strafbaren Untreue stelle bereits für sich genommen einen Angriff auf den Achtungsanspruch dar, der dem Richteramt innewohne, so das BayObLG. Verstärkt werde dieser Angriff noch durch die Bezeichnung des Richters als "ekelig parteiischen Amtsrichter" und die Abwertung seines dienstlichen, rechtskonformen Wirkens als "schikanöse Schandtat".

Insbesondere sei die Tat auch nicht nach § 193 StGB (Wahrnehmung berechtigter Interessen) gerechtfertigt, so das BayObLG. Da es sich bei den Äußerungen des Angeklagten aber auch nicht um Schmähkritik handle, sei eine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Mannes und dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Richters vorzunehmen.

Promovierter Mediziner hätte sich über Rechtslage informieren müssen

Vorweg betonte das BayObLG, dass die Dienstaufsichtsbeschwerde grundsätzlich ein legitimes Mittel zur "Machtkritik" sei. Die Aussage des Mediziners stehe auch in klarem Kontext zum dienstlichen Verhalten des Richters. Andererseits habe dieser gerade keinen Anlass für eine ehrverletzende Äußerung gegeben, so das Gericht in seiner Abwägung.

In die Abwägung floss zudem ein, dass es sich bei dem Angeklagten um einen promovierten Mediziner handelt, der sich, wie die Eingaben nach Auffassung des Gerichts belegen, durchaus versiert ausdrücken könne. Nach Ansicht des BayObLG wäre es ihm bei seiner Vorbildung ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen, sich anderweitig über die Rechtslage zu informieren, wenn er dem Richter schon nicht glauben wollte. Den Achtungsanspruch des Richters habe er sodann trotzdem mit seinen "völlig abwegigen Vorwürfen" attackiert. Bei der Gegenüberstellung aller Argumente müsse die Meinungsfreiheit des Mannes daher hinter dem Persönlichkeitsrecht des Richters zurückzutreten.

Weil die Strafrahmen von Übler Nachrede und Beleidigung identisch sind, änderte sich für den Mediziner im Strafausspruch letztlich nichts.

ku/LTO-Redaktion

 

Artikelversion vom 22. Juli 2022, 09.58 Uhr: Vorinstanz ergänzt.

Zitiervorschlag

BayObLG München zur Meinungsfreiheit: . In: Legal Tribune Online, 21.07.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49110 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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