Streit unter den Anwaltsgerichtshöfen: Der Syn­di­kus­rechts­an­walt im öff­ent­li­chen Dienst

von Martin W. Huff

16.04.2018

Rechtsanwälte können als Angestellte im öffentlichen Dienst arbeiten, wenn sie keine hoheitlichen Aufgaben wahrnehmen. Das ist gängige Praxis der Rechtsanwaltskammern. Doch was, wenn es ein Syndikusanwalt ist? Martin W. Huff berichtet.

Niedergelassene Rechtsanwälte müssen eine Tätigkeit als Angestellte im öffentlichen Dienst ihrer Rechtsanwaltskammer unverzüglich anzeigen, dazu verpflichtet sie § 56 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO). Der Begriff ist weit gefasst, ganz klar ist nach der BRAO, dass Beamtentum unvereinbar ist mit der Anwaltszulassung.

Bei einer Angestelltentätigkeit prüft die Rechtsanwaltskammer nach § 7 Nr. 8 BRAO die Vereinbarkeit der Tätigkeit als Rechtsanwalt mit der im öffentlichen Dienst. Kern der Prüfung ist, ob sich potentielle Mandanten besondere Vorteile davon erhoffen könnten, dass sie einen Anwalt beauftragen, der selber in der Behördenlandschaft tätig ist. Unvereinbar ist eine gleichzeitige Anwaltstätigkeit jedenfalls dann, wenn der Jurist als Angestellter eine hoheitliche Tätigkeit wahrnimmt, etwa eine intensive Mitwirkung an Verwaltungsakten, hier fehlt die für den  Rechtsanwaltsberuf im Grundsatz notwendige Staatsferne. So hat zuletzt der Bundesgerichtshof (BGH) die Tätigkeit als Hauptgeschäftsführer einer Industrie- und Handelskammer, die nach der Satzung der IHK eine Organstellung vorsieht, als unvereinbar mit der Anwaltszulassung angesehen, weil hier klassische Verwaltung und hoheitliche Tätigkeiten wahrgenommen würden.

Die Diskussion hat begonnen, seit Juristen sich auch als Syndikusrechtsanwälte zulassen können. Deren Besonderheit ist, dass sie nur einen Mandanten in Form ihres Arbeitgebers haben, andere Mandanten können diese also nicht als ihren Anwalt auswählen. Daher müssen hier andere Maßstäbe für die Prüfung der "Unwürdigkeit" im Sinne des § 7 Nr. 8 BRAO gelten. Bisher geht die Mehrheit der regionalen Rechtsanwaltskammern davon aus, dass eine klassische hoheitliche Tätigkeit als Angestellter im öffentlichen Dienst nicht mit einer Syndikuszulassung in Einklang zu bringen ist.

Wie es die Anwaltsgerichtshöfe sehen

Allerdings haben die Anwaltsgerichtshöfe (AGH) in Hessen, Baden-Württemberg und Bayern keine grundsätzlichen Einwände gegen nicht hoheitliche Tätigkeiten im öffentlichen Dienst erhoben und die Klagen der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) gegen die Zulassungsentscheidung zurückgewiesen. So hat der Hessische AGH hat die Tätigkeit eines Syndikusrechtsanwalt bei einem Landkreis (Urt. v. 13.03.2017, Az. 1 AGH 10/16) und bei Verkehrsbetrieben einer Stadt als Eigenbetrieb (Urt. v. 03.04.2017, Az. 2 AGH 10/16) als unbedenklich angesehen. Bei Stadtwerken hat sich der Bayerische AGH dieser Rechtsprechung angeschlossen (Urt. v. 09.04.2018, Az. BayAGH  III-4-7/16). Bayern hatte auch keine Bedenken gegen eine Tätigkeit als Abteilungsleiterin bei einer Industrie- und Handelskammer als Körperschaft öffentlichen Rechts (Urt. v. 25.09.2017, Az. BayAGH I-I12/16) und in der Verwaltung einer Stadt (Urt. v. 11.12.2017, Az. Bay AGH III-4-6/17). In Baden-Württemberg akzeptierte der AGH die Arbeitsrechtlerin einer Stadt als Syndikusanwältin, die nur für die Angestellten zuständig ist (Urt. v. 22.09.2017, Az. AGH 22/2017).

Gegen die Entscheidungen im Bezug auf die beiden Kommunen hat die DRV mittlerweile die zugelassenen Berufungen zum Bundesgerichtshof (BGH) eingelegt, so das Ende 2018/Anfang 2019 mit einer Entscheidung des Anwaltssenats gerechnet werden kann. Warum allerdings ein Syndikusrechtsanwalt nicht als Angestellter im öffentlichen Dienst tätig sein sollte, erschließt sich nicht. Die Zulassungsvorschriften verweisen zwar auf die "Unwürdigkeitsvorschrift". Hätte der Gesetzgeber jede Tätigkeit im öffentlichen Dienst für Syndikusanwälte ausschließen wollen, hätte er dies hätte regeln müssen. Ob das allerdings mit dem Recht auf freie Berufswahl nach Art. 12 Grundgesetz (GG) in Einklang zu bringen wäre, ist schwer vorstellbar.

Niederlassung, Syndikus und öffentlicher Dienst

Schwierig wird die Frage dann, wenn der im öffentlichen Dienst angestellte Syndikusanwalt auch noch niedergelassen ist und dies bereits der zuständigen Rechtsanwaltskammer angezeigt wurde. Hier muss sauber zwischen beiden Zulassungen getrennt werden, was leider auch bei den AGH nicht immer der Fall ist.

So hat der AGH Nordrhein-Westfalen in zwei Entscheidungen (Urt. v. 28.04.2017, Az. 1 AGH 66/16 u. Urt. v. 16.02.2018, Az. 1 AGH 12/17) bei Angestellten im öffentlichen Dienst die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt abgelehnt, obwohl die zuständige Kammer die Vereinbarkeit der Tätigkeit als Syndikus- und niedergelassener festgestellt hat. Gegen beide Entscheidungen stellten die Kammern Köln und Düsseldorf den Antrag auf Zulassung der Berufung, nachdem der AGH NRW diese im Gegensatz zu den anderen Anwaltsgerichtshöfen nicht zugelassen hatte.

Hier wird der BGH genau zu prüfen haben, was Gegenstand des Zulassungsverfahrens als Syndikusrechtsanwalt ist. Kann in diesem Verfahren auch noch einmal über die niedergelassene Tätigkeit entschieden werden? Denn hier kommen Überlegungen des Vertrauensschutzes zum Tragen. Denn der Rechtsanwalt, der einen Antrag auf Zulassung als Syndikusrechtsanwalt für die Tätigkeit stellt, bei der die Kammer keine Bedenken geäußert hat, muss doch sicher sein, dass er mit dem Zulassungsantrag nicht seine niedergelassene Tätigkeit gefährdet. Hier könnte allenfalls überlegt werden, ob nach einer rechtskräftigen Zulassung als Syndikusrechtsanwalt unter Umständen die niedergelassene Zulassung zurückgegeben werden muss. Ob dies allerdings mit Vertrauensschutzüberlegungen Einklang zu bringen ist, ist zweifelhaft.

Nunmehr liegt es beim BGH, hier Klarheit zu schaffen. In der Zulassungspraxis der regionalen Kammern hat es allerdings in den nunmehr knapp zweieinhalb Jahren des neuen Rechts gegen viele Tätigkeiten im weiteren öffentlichen Dienst keine Bedenken gegeben und die DRV hat auch gegen solche Zulassungen nicht geklagt. So sind Tätigkeiten in Universitätskliniken, in Universitäten außerhalb hoheitlicher Tätigkeit aber auch in Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern bestandskräftig geworden. Warum soll eine Rechtsberatung für einen Arbeitgeber im öffentlichen Dienst, bei der dieser die fachliche Weisungsunabhängigkeit bei dem Rechtsrat vertraglich garantiert, nicht möglich sein? Warten wir auf die Antwort aus Karlsruhe.

Der Autor Martin W. Huff ist Rechtsanwalt in der Kanzlei LLR in Köln und Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln. Er befasst sich seit Jahren mit den Fragen des Befreiungsrechts und vertritt Freiberufler in der Auseinandersetzung mit der Deutschen Rentenversicherung Bund. 

Zitiervorschlag

Martin W. Huff, Streit unter den Anwaltsgerichtshöfen: . In: Legal Tribune Online, 16.04.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28077 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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