Streit innerhalb der RAK München eskaliert: Wird der Ver­kauf des See­hauses gericht­lich gestoppt?

von Martin W. Huff

27.12.2023

Das Präsidium der RAK München will das Seehaus am Starnberger See zeitnah verkaufen, ein Käufer ist gefunden. Einige Vorstandsmitglieder sehen den Verkauf skeptisch und fordern mehr Informationen. Wird nun ein Gericht entscheiden?

Das streitgegenständliche Objekt ist die historische Villa des berühmten Münchner Mediziners Max von Pettenkofer (1818-1901). Er ließ sie 1876 am Südufer des Sees in Seeshaupt errichten. Seine Enkelin und Erbin Else Gaenssler vermachte sie 1981 der Rechtsanwaltskammer (RAK) München. Sie koppelte das Erbe an die die Auflage, "den Grundbesitz zu einem Heim zu gestalten, welches vorwiegend Angehörigen der Anwaltsberufe zur Erholung, Alterssicherung und ähnlichen Zwecken dienen" solle.

Die RAK stellte das prächtige Anwesen ihren Mitgliedern ganz praktisch für Veranstaltungen und Partys zur Verfügung. Die Anwohner fanden das nicht so prickelnd und klagten wegen jahrelanger Lärmbelästigung, sagte der Bürgermeister von Seeshaupt, Fritz Egold (CSU), gegenüber der Bild-Zeitung.

Auch innerhalb der RAK gibt es seit einigen Jahren heftigen Streit um das Seehaus. Die Unterhaltskosten sind hoch und nach 40 Jahren stünde eine grundlegende Sanierung an. Seit rund zehn Jahren wird nun darum gestritten, wie es weitergeht mit der Villa, deren Wert nach Bild-Informationen zwischen neun und zehn Millionen Euro liegen könnte.

Am See hängt der Haussegen schief

Das Haus ist seit 2019 geschlossen, es wird nicht mehr genutzt. Die RAK vertritt dabei nach der jahrelangen Nutzung in einer Stellungnahme gegenüber LTO die Auffassung, dass "die frühere Nutzung des Seehauses im Wesentlichen außerhalb des Aufgabenbereichs der RAK München lag. Eine Fortsetzung wäre weder rechtlich zulässig noch wirtschaftlich gewesen." Dies sieht die "Seehausinitiative Münchener Rechtsanwälte" anders. Sie meint, der Zweck der Erblasserin könnte sehr wohl erreicht werden.

Wie es weitergehen soll, darüber ist man sich in den Leitungsorganen der RAK uneinig. Wer ist für den Verkauf zuständig und wer muss wie beteiligt werden?

Mittlerweile hat der Bayerische Anwaltsgerichtshof (AGH) entschieden, dass für die Vermögensverwaltung und damit für den Verkauf der Immobilie allein das Präsidium zuständig ist (Urt. v. 05.11.2021, Az. III-4-6/19; v. 22.03.2022, Az. III-4-1/21). Diese Entscheidungen sind vom Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt worden. Daher sieht sich das RAK-Präsidium, ein Gremium des Vorstands, auch unter der neuen Präsidentin der Kammer, Anne Riethmüller, im Recht, über den Verkauf allein zu entscheiden.

Aber bedeutet das auch, dass das Präsidium den Verkauf im stillen Kämmerlein aushandeln darf? Muss es den Vorstand über den jeweiligen Verhandlungsstand informieren? Wie weit reicht dieses Auskunftsrecht?

Wird der Verkauf per Eilantrag gestoppt?

Im Fall des Seehauses geben einige Vorstandsmitglieder an, vom Präsidium nur sehr allgemein über den Verkauf der Villa in Kenntnis gesetzt worden zu sein. Das Präsidium hält dieser Darstellung gegenüber LTO entgegen, den Vorstand in dessen Sitzungen "kontinuierlich und natürlich auch freiwillig über den jeweils aktuellen Stand der Entwicklungen in Sachen Seehaus umfassend informiert" zu haben.

Was "umfassende Informierung" bedeutet, ist Ansichtssache. Klar ist: Der Vorstand wurde darüber in Kenntnis gesetzt, dass das Präsidium einen Makler beauftragt hat, dass es Kaufangebote gegeben hat, dass Verhandlungen mit einem Kaufinteressenten stattgefunden haben und schließlich der Verkauf beschlossen worden ist. Auch die Höhe des Kaufpreises wurde dem Vorstand mitgeteilt. Klar ist aber auch: Den Namen des Käufers will das Präsidium dem Vorstand unter Berufung auf eine Vertraulichkeitsvereinbarung nicht nennen. Auch die Maklerbedingungen sind dem Vorstand nicht bekannt.

Jetzt drohen einige Vorstandsmitglieder damit, den Verkauf durch eine einstweilige Verfügung zu stoppen. Ob dies gelingen würde, ist allerdings offen.

Ein weiterer Streitpunkt: Im Testament verfügte die frühere Eigentümerin Gaenssler, dass zwei Drittel der Einnahmen aus dem Verkauf des Hauses dem Max-von-Pettenkofer-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität zugutekommen sollten. Jetzt ist streitig, ob nach über 40 Jahren der Erlös aus dem Verkauf noch geteilt werden müsste. RAK-Präsidentin Riethmüller geht nicht davon aus. Sie nimmt Bezug auf ein Gutachten, wonach es sich bei der Verfügung um ein bedingtes Vermächtnis handele, das wegen Ablaufs von mehr als 30 Jahren seit dem Tod der Erblasserin seine Wirksamkeit verliere. Vorstandsmitglied Ünal Özkök hingegen weist auf ein gegenteiliges Gutachten hin, demzufolge die Verfügung eine Auflage sei, deren Wirksamkeit keiner solchen zeitlichen Grenze unterliege. Er hält angesichts dieser Unklarheiten einen "Rechtsstreit mit Auslegungsschwierigkeiten mit der LMU" für "vorprogrammiert".

Die Unruhe im Vorstand der Münchener Kammer dauert also weiter an, nachdem u.a. die Auseinandersetzungen rund um das Seehaus dazu geführt hatten, dass der BGH eine Vorstandswahl für ungültig erklärt hatte und Neuwahlen anberaumt worden waren.

Welche Auskunftsrechte hat der Vorstand?

Der Streit um Auskunftsrechte des Vorstands gegenüber dem Präsidium wirft eine interessante berufsrechtliche Frage auf: Hat der Gesamtvorstand ein Recht darauf, vom Präsidium sämtliche Details zu dem geplanten Verkauf zu erfahren, insbesondere den Namen des Käufers?

Das Argument des Präsidiums, dass eine Vertraulichkeitsvereinbarung mit dem Käufer besteht, ist sicherlich nicht ausschlaggebend. Denn der Vorstand hat eine eigene Verschwiegenheitspflicht in Bezug auf vertrauliche Informationen. Auch überzeugt das Argument nicht, dass aus der alleinigen Verkaufszuständigkeit des Präsidiums folge, dass das Informationsrecht des Vorstands eingeschränkt sei. Schließlich ist der Vorstand kraft Gesetzes für die Belange der Kammer insgesamt zuständig.

Spannend wird auch die Frage werden, was die RAK mit dem Verkaufserlös macht. Denn die Bildung von Vermögen ist allen Kammern nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur zweckgebunden möglich. Den Erlös ohne genaue Überlegungen, wie er verwendet werden soll, einfach zu behalten, dürfte unzulässig sein. Aus Vorstandskreisen ist zu hören, dass dafür ein Seminargebäude errichtet werden soll, Genaueres ist aber bisher nicht bekannt.

Insgesamt sind die Auseinandersetzungen in München sicherlich nicht geeignet, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zu motivieren, sich in der RAK ehrenamtlich zu engagieren. Man darf gespannt sein, wie die Beteiligung bei den im Frühjahr 2024 turnusgemäß anstehenden Wahlen der Hälfte des Vorstands aussehen wird und wer dann in den Vorstand einzieht. Womöglich beurteilt der neu zusammengesetzte Vorstand nicht nur die Rechtsfragen rund um das Seehaus anders; er könnte auch einen Erhalt der Villa einem Verkauf vorziehen. Es bleibt also spannend.

Red. Hinweis: Text in der Version vom 05.01.2024, 17:15 Uhr. Einige Passagen im Text sowie Überschrift und Teaser wurden aufgrund missverständlicher und teils unzutreffender Aussagen angepasst.

Zitiervorschlag

Streit innerhalb der RAK München eskaliert: . In: Legal Tribune Online, 27.12.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53499 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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