Aussicht auf Vergleich am Landgericht Offenburg: Anwälte ver­zichten auf Super­la­tive

von Dr. Christian Rath

15.10.2019

Im Streit zwischen der Rechtsanwaltskammer Freiburg und der Kanzlei "Dr. Stoll & Sauer" zeichnet sich eine Einigung ab. Die Kanzlei wird sich nicht mehr als "erfolgreichste Rechtsanwaltsgesellschaft" bezeichnen. Christian Rath war dabei.

Die Lahrer Kanzlei "Dr. Stoll & Sauer" ist auf Massenschadensfälle spezialisiert. Lange Zeit konzentrierte sie sich auf Anlegerklagen. Seit 2015 kümmert man sich aber auch um die Interessen von Diesel-Käufern. Nach eigenen Angaben führt die Kanzlei rund 12.000 entsprechende Verfahren bundesweit. Für den Verbraucherzentrale Bundesverband vertreten "Dr. Stoll & Sauer" gemeinsam mit einer anderen Kanzlei auch die Musterfeststellungsklage gegen VW, hinter der rund 470.000 Kläger stehen.

Im Sommer 2018 bekam "Dr. Stoll & Sauer" allerdings (wohl nicht zum ersten Mal) Ärger mit der Rechtsanwaltskammer (RAK) Freiburg*. Dort hatte es Beschwerden über die Werbung der Lahrer Kanzlei gegeben. Die Kammer mahnte die Anwälte daraufhin ab. Geschäftsführer Ralf Stoll sagte anschließend zu, die Werbung zu löschen. Doch dann gab es neue Beschwerden, die Werbung sei immer noch online. Nun klagte die Kammer beim Landgericht (LG) Offenburg wegen unlauteren Wettbewerbs.

Wie misst man Erfolg?

In einer Facebook-Anzeige hatte "Dr. Stoll & Sauer" sich gerühmt, die Kanzlei sei die "erfolgreichste Rechtsanwaltsgesellschaft". Die Kammer sah darin eine Werbung mit einem scheinbar "nachprüfbaren Alleinstellungsmerkmal". Weil die Behauptung letztlich aber unklar sei und nicht überprüft werden könne, verstoße sie gegen das "Sachlichkeitsgebot".

Dr. Morton Douglas von der Kanzlei FGVW, die die RAK vertritt, argumentierte vor Gericht auch mit der Missverständlichkeit der Werbung. "Die Aussage könnte sogar so verstanden werden, dass Dr. Stoll & Sauer die erfolgreichste Kanzlei überhaupt seien, nicht nur im Abgasskandal." Wenn nur 20 bis 25 Prozent der Anzeigenleser zu diesem Schluss kämen, wäre die Werbung auch irreführend.

Ralf Stoll hielt dagegen, dass "Dr. Stoll & Sauer" im Abgasskandal wirklich die erfolgreichste Kanzlei sei. Man habe "absolut und relativ am meisten Prozesse gewonnen".

Das Gericht kam in einer vorläufigen Würdigung zum Schluss, dass sich die Erfolgs-Aussage im Kontext wohl nur auf Abgasfälle beziehe. Die Beweislast für den Superlativ trage dann aber "Dr. Stoll & Sauer". Die Richter zweifelten allerdings, ob sich der Beweis führen lasse, weil man dazu ja auch die Erfolgsstatistiken konkurrierender Kanzleien bräuchte.

Wer ist "führend"?

Der zweite Kritikpunkt der Kammer ging in eine ähnliche Richtung. In Pressemitteilungen hatte sich "Dr. Stoll & Sauer" als "führende Kanzlei im Abgasskandal" bezeichnet. Die Anwaltskammer hielt auch dies für nicht nachweisbar. Ralf Stoll berief sich darauf, dass seine Kanzlei im Abgasskandal die meisten Mandanten vertrete.

Der Vorsitzende Richter Max Schumann signalisierte, dass dieser Punkt an die beklagte Kanzlei gehen könnte. "Dr. Stoll & Sauer sind wirklich gut im Geschäft. Da könnte etwas dran sein."

Was bringt Rechtsschutzversicherung?

Schließlich monierte die Anwaltskammer noch eine Email, die "Dr. Stoll & Sauer" an Mandanten geschrieben hatte, die sich bereits beraten ließen, aber noch keinen Auftrag zur Klage gegeben hatten. Dort hieß es: "Wer also eine Rechtsschutzversicherung hat, kann sich zurücklehnen und erfolgreich gegen VW klagen". Diese Aussage sei falsch und irreführend, so die Kammer. Eine Rechtsschutzversicherung reduziere zwar das Kostenrisiko, garantiere aber nicht den Erfolg der Klage.

Dem schloss sich in der vorläufigen Würdigung auch das Gericht an. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sei im Übrigen auch dann anwendbar, wenn die Email keine Werbung war, sondern mandatsinterne Kommunikation, argumentierte Richter Schumann, denn es liege wohl eine "geschäftliche Handlung" vor.

Vergleich zeichnet sich ab

In der Verhandlung vor dem Landgericht zeichnete sich bald ab, dass der Prozess mit einem Vergleich enden wird. Stoll erklärte sich bereit, in allen drei Punkten Unterlassungserklärungen abzugeben. "Wir sagen schon jetzt nicht mehr, dass wir die erfolgreichste und führende Kanzlei im Abgasskandal sind", betonte er, "das haben wir gar nicht nötig", fügte er selbstbewusst hinzu.

Dass er die Kammer angelogen habe, das wollte Stoll aber nicht stehen lasse. "Wenn ich sage, ich habe die Anzeige gelöscht, dann habe ich die Anzeige gelöscht", er könne sich auch nicht erklären, warum die beanstandeten Formulierungen auch danach noch auf der Kanzleiseite auffindbar waren.

Die Prozesskosten wollte Stoll freilich nicht übernehmen. Man könne schließlich mindestens vierzig Zeugen aus anderen Kanzleien anbieten, die bereit seien zu bestätigen, dass "Dr. Stoll & Sauer" die erfolgreichste und führende Kanzlei im Abgasskandal ist. Insbesondere die Kanzlei Freshfields, die VW vertrete, habe den Überblick. Er sei aber bereit, auf entsprechende Beweisanträge zu verzichten, so Stoll, denn der Prozess sei "so überflüssig wie sonst noch was" und würde nur Kosten produzieren.

Nachdem sich auch die Anwaltskammer vergleichsbereit zeigte, skizzierte Richter Schumann einen Einigungsvorschlag. Danach müsste "Dr. Stoll & Sauer" nur dann Vertragsstrafe zahlen, wenn die zu unterlassenden Aussagen auf ihrer eigenen Webseite wieder auftauchen. Sollten die Aussagen auf anderen Seiten entdeckt werden, müsse die Anwaltskammer die Kanzlei darauf hinweisen, damit diese auf eine Löschung drängen könne. Das Gericht schlug eine Kostenteilung von 1/3 für die Kammer und 2/3 für die Kanzlei vor.

Beide Seiten wollen sich nun in den nächsten vier Wochen außergerichtlich einigen. Insbesondere die Details zur Kostenteilung und zur Fälligkeit von Vertragsstrafen sollen in Ruhe besprochen werden.

*Zunächst hieß es hier "Rechtsanwaltskammer Südbaden". Richtig ist jedoch Rechtsanwaltskammer Freiburg, am 25.10.2019 korrigiert.

Zitiervorschlag

Aussicht auf Vergleich am Landgericht Offenburg: . In: Legal Tribune Online, 15.10.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38187 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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