Mutterschutz für selbstständige Frauen

Finan­zi­elle Absi­che­rung löst nicht alle Pro­b­leme

Almut TresbachLesedauer: 4 Minuten
Eine neue EU-Richtlinie soll die soziale Absicherung Selbständiger und deren Partner verbessern. Zum ersten Mal bekommen Unternehmerinnen auf EU-Ebene Mutterschaftsansprüche zugestanden. Der Einkommensausfall wird also künftig kompensiert. Doch konfrontiert eine Geburt selbstständige Frauen mit weiteren Problemen, für die es noch keine Lösungen gibt.

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Selbständige Mütter sollen den gleichen Schutz genießen, von dem Angestellte bereits jetzt profitieren. Ziel sei, so Viviane Reding, EU-Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft, "den sozialen Schutz zu verbessern und selbstständig erwerbstätigen Männern und Frauen sowie deren Partnern gleiche wirtschaftliche und soziale Rechte zu gewähren". Zwei Jahre haben die Mitgliedstaaten Zeit, die Richtlinie in innerstaatliches Recht umzusetzen. Die Richtlinie 2010/41/EU schützt Selbstständige: alle Personen, die nach nationalem Recht eine Erwerbstätigkeit auf eigene Rechnung ausüben. Der Schutz erstreckt sich außerdem auf die Ehepartner oder die nach innerstaatlichem Recht anerkannten Lebenspartner Dies gilt aber nur dann, wenn die Lebenspartner weder Angestellte noch Gesellschafter sind und sich an den Tätigkeiten des selbständig Erwerbstätigen beteiligen. Hintergrund: Jeder zehnte Selbstständige in Europa wird von seinem Partner unterstützt, ohne einen Arbeitsvertrag geschlossen zu haben. Betroffen sind vor allem kleine Familienunternehmen, zum Beispiel landwirtschaftliche Betriebe, Arztpraxen oder auch Anwaltskanzleien. In der Regel ist der mitarbeitende Partner völlig von dem Selbstständigen abhängig.

Mutterschaftsleistungen für 14 Wochen – künftig 20?

Erstmals wird für Selbständige auf EU-Ebene ein Anspruch auf Mutterschaftsurlaub festgeschrieben. Der Mutterschutz ist in Artikel 8 der Richtlinie verankert. Dort heißt es, selbstständige Frauen und mitarbeitende Partnerinnen müssen ausreichende Mutterschaftsleistungen erhalten können, die eine Unterbrechung ihrer Erwerbstätigkeit wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft während mindestens 14 Wochen ermöglichen. Der Zeitraum von 14 Wochen orientiert sich an den Vorschriften zum Mutterschutz für angestellte Arbeitnehmerinnen. Dieser beginnt sechs Wochen vor dem berechneten Geburtstermin und endet in der Regel acht Wochen nach der Entbindung. Das EU-Parlament hat gerade erst einen Vorstoß unternommen, den Zeitraum auf 20 Wochen auszudehnen, stößt aber auf den Widerstand einiger Mitgliedsstaaten. "Das wurde aber auch Zeit, dass die Rechte selbständiger Unternehmerinnen im Falle der Mutterschaft denen von angestellten Frauen angeglichen werden" freut sich Ines Nareyka, selbstständige Rechtsanwältin in der Kanzlei Nareyka und Okamgba in Mühlheim an der Ruhr. Die unter anderem auf Familienrecht spezialisierte Anwältin ist 36 Jahre alt und damit in ihrer Lebensplanung potenziell von den Neuregelungen betroffen. Sie hat vor fünf Jahren den Sprung in die Selbständigkeit gewagt, ihre eigene Kanzlei gegründet und sich erfolgreich am Markt etabliert. "Als Selbständige gilt permanent der Grundsatz ‚selbst ist die Frau’, somit stellt es schon eine Erleichterung dar, gerade im Mutterschaftsfall Unterstützung von staatlicher Seite zu bekommen. Man muss sich aber auch darüber im Klaren sein, dass bei allem Mutterschutz der Druck zur Auftragsakquise und Mandantenbindung weitergeht. Wer auf Mandate angewiesen ist und wem Kundenzufriedenheit oberstes Gebot ist, kann beruflich die Hände eben nie in den Schoß legen." Dass dies ein schwieriger Spagat ist, hat auch die Arbeitsgemeinschaft Anwältinnen im Deutschen Anwaltverein erkannt und hat ein Projekt ins Leben gerufen: "Anwältin und Mutter sein – wie geht das?" Über 300 Teilnehmerinnen haben für dieses Projekt über ihre Erfahrungen mit dem gleichzeitigen Management von Familie und Beruf berichtet.

Geld alleine ist nicht alles

Eine Arbeitsgruppe der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Anwältinnen befasst sich sogar speziell mit der EU-Richtlinie. "Der Gesetzgeber steht vor einer äußerst schwierigen Aufgabe. Er muss Regelungen treffen, die eine Sicherung für Mütter darstellen, die ihre Rolle als Unternehmerin mit allen damit verbundenen Freiheiten und Risiken bereits angenommen haben. Die ARGE Anwältinnen hat sich die Richtlinie zum Thema gemacht, um mit ihrer Fachkompetenz den Gesetzgeber hierbei zu unterstützen", sagt die Leiterin der ARGE-Arbeitsgruppe "Mutterschutzrichtlinie für Selbständige" Beatrice Wrede, Fachanwältin für Arbeitsrecht in Bremen. Ihrer Prognose zufolge wird die größte Schwierigkeit darin liegen, dass noch niemand weiß, wer für die Finanzierung dieser Sicherheit aufkommen soll. "Die Richtlinie ist nach ihrem Wortlaut in dieser Hinsicht offen. Den Selbständigen ist wenig geholfen, wenn es letztlich auf eine Versicherungspflicht durch Beiträge, die wiederum allein durch die Mütter bzw. ihre Lebenspartner aufzubringen sind, hinausläuft", gibt Beatrice Wrede zu bedenken. "Wir sind dabei zu prüfen, an welches bereits bestehende System dieses ‚Lebensrisiko’ am besten angebunden werden kann. Wir wollen außerdem die Kompetenz aus den anderen Verbänden der Unternehmerinnen und Unternehmer und Selbständigen einbinden, um so gebündelt die Interessen der Betroffenen berücksichtigen und vertreten zu können." Die Richtlinie stößt laut Beatrice Wrede eine Reihe weiterer Probleme an: Wie können Unternehmerinnen abgesichert werden, die schon vor ihrer Schwangerschaft die Kosten ihrer Selbständigkeit kaum finanzieren konnten? Wie können eigentlich unvertretbare, an die Person der Unternehmerin gebundene Leistungen eben doch vertreten werden, zum Beispiel im kreativen Bereich? Wrede kommt zu dem Schluss: "Selbständige, die gleichzeitig eine Familie haben, müssen sich heute der Situation bewusst sein, dass sie ihr Ausfallrisiko selbst tragen. Es bleibt zu hoffen, dass die EU-Richtlinie diesen Zustand verbessert."

Mutterschutz: Angebot oder Zwangsbeglückung?

Die Richtlinie regelt Mindestanforderungen. Es bleibt den Mitgliedstaaten überlassen, ob selbstständige Frauen verpflichtet sind, die Mutterschaftsleistungen in Anspruch zu nehmen, oder ob es ein Angebot bleibt. Auch kann jedes einzelne EU-Land festlegen, in welchem Zeitraum vor und/oder nach der Entbindung der Anspruch besteht. Die Mutterschaftsleistungen gelten demnach als ausreichend, wenn sie ein Einkommen garantieren, das mindestens der Leistung entspricht,
  • die die Betroffene im Falle einer Erwerbstätigkeitsunterbrechung aus gesundheitlichen Gründen erhalten würde, oder
  • die sich aus dem durchschnittlichen Einkommens- oder Gewinnverlust gegenüber einem vergleichbaren Zeitraum ergibt, vorbehaltlich etwaiger Obergrenzen, oder
  • die als jegliche andere familienbezogene Leistung, vorbehaltlich etwaiger Obergrenzen, nach innerstaatlichem Recht bezogen werden kann.
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