Insolvente Verbraucher sollen schneller als bisher eine zweite Chance bekommen, wenn sie einen Teil ihrer Schulden beglichen haben. So will es die Bundesregierung. Am Mittwoch wird der Rechtsausschuss wohl eine öffentliche Anhörung beschließen. In welcher Form diese zweite Stufe der Reform des Insolvenzrechts am Ende in Kraft treten wird, ist dabei noch alles andere als klar, meint Heinz Vallender.
Es ist nicht die erste Reparaturarbeit am Recht der Verbraucherinsolvenz. Eine grundlegende Reform brachte bereits 2001 das Insolvenzrechtsänderungsgesetz. Dem 2008 gestarteten Versuch, das Restschuldbefreiungsverfahren völlig neu zu gestalten, blieb dagegen der Erfolg versagt. Die Anhörungen zu einem entsprechenden Regierungsentwurf führten dazu, dass der Entwurf nicht weiter verfolgt wurde. Experten und Abgeordneten wiesen die Forderung nach einer Abschaffung der Stundungsvorschriften und einer Einführung eines völlig neu konzipierten Entschuldungsverfahrens weitgehend zurück. Der aktuelle Gesetzentwurf enthält nun nichts dergleichen.
Es ist die zweite Stufe der Insolvenzrechtsreform, die die Bundesregierung mit dem Entwurf eingeläutet hat. Bereits im März 2012 trat auf der ersten von drei Stufen das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen in Kraft, das die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Sanierung notleidender Unternehmen verbessern soll. Dazu zählen ein erleichterter Zugang zur Eigenverwaltung und die Möglichkeit der Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital in einem Insolvenzplan (debt-equity-swap). Nun sollen weitreichende Neuerungen zum Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren auf den Weg gebracht werden.
Restschuldbefreiung schon nach drei Jahren
Kernpunkt des Entwurfs ist die Verkürzung der so genannten Wohlverhaltensperiode, innerhalb der sich der Schuldner bemühen muss, seine Obliegenheiten gegenüber den Gläubigern zu erfüllen; etwa das zu verdienen, was er verdienen kann. Der Zeitraum soll von sechs auf drei Jahre verkürzt werden, wenn der Schuldner während dieser Periode sowohl die Verfahrenskosten als auch 25 Prozent der Forderungen seiner Gläubiger bezahlt hat. Darüber hinaus sollen Gläubiger künftig einen schriftlicher Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung schon während des eröffneten Verfahrens stellen können.
Eine weitere Neuerung ist die Gestaltung des Verbraucherinsolvenzverfahrens. Da das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren ohne praktische Bedeutung geblieben ist, wurde es gestrichen. Stattdessen lässt der Entwurf die Ausarbeitung eines Vergleichs durch den Schuldner selbst oder einen Insolvenzverwalter (so genanntes Insolvenzplanverfahren) auch für Verbraucher zu. Dieses Instrument soll es nach der Vorstellung der Bundesregierung künftig jedem Schuldner ermöglichen, im Einvernehmen mit seinen Gläubigern flexibel und schnell zu einer Entschuldung zu gelangen.
Grüne: "Luxusgesetzentwurf für Schuldner mit vermögenden Verwandten"
In den Beratungen im Bundestagsplenum Ende November wurde deutlich, dass der Regierungsentwurf noch weit davon entfernt ist, von den Abgeordneten "durchgewunken" zu werden. Bereits das Hauptanliegen der Reform, die Verkürzung der Abtretungsfrist auf drei bzw. fünf Jahre, stößt auf Widerspruch. Nach derzeitiger Rechtslage hat der Schuldner sein pfändbares Arbeitseinkommen für die Zeit von sechs Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder abzutreten. Die Opposition sieht ähnlich wie die Verbraucher- und Schuldnerberatungsverbände die Gefahr, dass lediglich ein sehr kleiner Teil der Verschuldeten in der Lage sein wird, innerhalb von drei Jahren genug Forderungen zu begleichen, um vorzeitig in den Genuss einer Restschuldbefreiung zu gelangen. Die Abgeordnete Ingrid Hönlinger (Bündnis 90/Die Grünen) fragte, "ob wir hier nicht einen Luxusgesetzentwurf für Schuldner mit vermögenden Verwandten vor uns haben".
Alle Fraktionen verhandlungsbereit
Kritisiert wurde ferner, dass die Bundesregierung die ursprünglich geplante Einführung eines außergerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahren offensichtlich aufgegeben hat. Im Referentenentwurf war noch vorgesehen, dass der Schuldner bei einem Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuchs die Ersetzung fehlender Zustimmung zu seinem Schuldenbereinigungsplan durch das Insolvenzgericht beantragen kann. Die Abgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker von der Fraktion CDU/CSU hat die Kritik an diesem Vorhaben erkannt und in ihrem Redebeitrag aufgegriffen. Sie bemängelte, dass das Ministerium keine vertiefte Begründung dafür geliefert habe, weshalb die noch im Referentenentwurf vorgesehene Übertragung des Verbraucherinsolvenzverfahrens auf den Rechtspfleger im Regierungsentwurf wieder gekippt worden sei. Auch ihr Fraktionskollege Stephan Mayer sieht "noch Potenzial für weitere Verfahrensverbesserungen".
Ob der Entwurf bis zur nächsten Bundestagswahl im September 2013 alle parlamentarischen Hürden erfolgreich nehmen wird, erscheint daher bereits nach der ersten Lesung fraglich. Viel Zeit bleibt den Abgeordneten dafür nicht; denn der Bundesrat muss dem Gesetz auch zustimmen.
Nachdem bereits während der ersten parlamentarischen Beratung alle Fraktionen Verhandlungsbereitschaft signalisierten, besteht jedoch einen realistische Chance, dass die Fachausschüsse vor der zweiten Lesung die wesentlichen Streitpunkte ausräumen können. Eine Verkürzung der Abtretungsfrist auf drei Jahre wäre jedenfalls ein erster wichtiger Schritt, um die unterschiedlichen europäischen Regelungen zur Restschuldbefreiung zu harmonisieren.
Der Autor Prof. Dr. Heinz Vallender leitet am Amtsgericht Köln die Insolvenzabteilung und ist Honorarprofessor an der Universität zu Köln.
Zweite Stufe der Reform des Insolvenzrechts: . In: Legal Tribune Online, 10.12.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7746 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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