Wehrhafte Demokratie: Grenzen der Über­wa­chung von Par­teien und Abge­ord­neten

2/2: Geringere Überwachungshürden bei Parteien?

Ob sich diese hohen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts auch auf die Beobachtung von politischen Parteien übertragen lassen, ist ungewiss. Dafür spricht, dass das Parteienprivileg des Art. 21 Abs. 2 GG gewährleisten soll, dass keine Partei vor der Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit durch staatliche Stellen in ihrer Betätigungsfreiheit eingeschränkt wird. Insofern ist die Ausgangslage zu derjenigen der Abgeordneten vergleichbar. Allerdings hat es das OVG Lüneburg (Urt. v. 19.10.2000, Az. 11 L 87/00) unter Verweis auf den Wortlaut landesrechtlicher Bestimmungen, die insoweit mit § 4 Abs. 1 c) BVerfSchG übereinstimmen, abgelehnt, ein "aktiv kämpferisches, aggressives Verhalten der zu beobachtenden Partei" zur Voraussetzung ihrer Überwachung zu machen.

Wie eine "niedrigschwellige" Überwachung von Parteien erfolgen soll, die nicht zugleich auch die Rechte deren Abgeordneter tangiert, ist indes fraglich. Zudem dürfte die Praxis dann mit dem Problem konfrontiert sein, dass eine Überwachung von Parteien ohne gleichzeitige Überwachung ihrer Funktionäre und Aktivisten wenig zielführend sein wird, da sich Zusammenhänge anders kaum aufdecken und Entwicklungslinien kaum nachvollziehen lassen werden. Die Lösung könnte eine Überwachung der Partei und mithin auch ihrer Organe und Mitglieder sein, wobei Abgeordnete ausgespart werden müssten. Ob ein solches Vorgehen hilft, die vom Bundesverfassungsgericht befürchtete Stigmatisierung der Abgeordnetentätigkeit abzuwehren, darf bezweifelt werden.

Verdeckte Überwachung nur in Ausnahmefällen denkbar

Was für die offene Überwachung und mithin die "bloße" Informationssammlung zu gelten hat, muss erst recht für verdeckte Maßnahmen des Verfassungsschutzes (z.B. Einsatz von Vertrauensleuten und sog. Lauschangriffe) gelten. Die vom Bundesverfassungsgericht bereits im Kontext der offenen Maßnahmen angemahnte strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung wird in der Regel dazu führen, dass sich derartige besonders invasive Eingriffe in verfassungsrechtlich besonders geschützte Rechte verbieten.

Schließlich bildet auch das Dienstrecht effektive Schutzmechanismen gegen eine allzu ausufernde Überwachung von Abgeordneten und Parteien. Insoweit ist nämlich zu beachten, dass Verstöße gegen die staatliche Neutralitätspflicht oder die gesetzlichen Vorgaben als Dienstvergehen geahndet werden müssen (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 1 Bundesdisziplinargesetz), was bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führen kann.

Der Autor Florian Albrecht M.A. (Kriminologie) ist Oberregierungsrat und hauptamtlich Lehrender für die Rechtsfächer an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Brühl. Der Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Auffassung des Verfassers wieder.

Zitiervorschlag

Florian Albrecht, Wehrhafte Demokratie: . In: Legal Tribune Online, 27.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19806 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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