2/2: Regulierung von Streaminganbietern kontraproduktiv
Auch Ansgar Koreng, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht in Berlin, will der Landesmedienanstalt keinen Vorwurf machen: "Das Vorgehen der Behörde ist nur so abwegig wie das Gesetz, auf dem es fußt. Das Problem ist der Rundfunkbegriff des RStV, der seinerseits auf die unzeitgemäße Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zurückgeht." Nach dieser sind Rundfunkangebote in besonderer Weise regulierungsbedürftig – einerseits wegen ihrer gesellschaftlichen Breitenwirkung und Suggestivkraft, andererseits zur Vermeidung von Machtkonzentrationen und zur Sicherung der Meinungsvielfalt.
Das erschließt sich vor allem im Bereich des klassischen Rundfunks, wo der Angebotsvielfalt durch hohe Eintrittshürden und begrenzte Sendefrequenzen Grenzen gesetzt sind. "Das Internet hingegen ist von seiner Struktur her doch ein geradezu idealer Meinungsmarkt, an dem sich jeder mit geringem Aufwand beteiligen kann", sagt Koreng.
Die Meinungspluralität, die durch die Rundfunkregulierung eigentlich gesichert werden solle, würde durch den damit einhergehenden Bürokratieaufwand eher gefährdet als gefördert. Umgekehrt sei eine gesellschaftliche Breitenwirkung einzelner Streaming-Angebote wohl eher der Ausnahmefall: "In der Kommentarliteratur zum Rundfunkbegriff finden Sie Umschreibungen wie die von der 'Lagerfeuerfunktion' – also die Vorstellung, dass sich die Gesellschaft abends um den Fernseher schart wie eine Bande Pfadfinder um das Lagerfeuer. Das mag auf einzelne, extrem populäre Formate wie den Tatort vielleicht zutreffen, ist aber schon bei einer Vielzahl kleinerer TV-Sendungen zweifelhaft, und wird gänzlich absurd, wenn man den Gedanken ins Internet verfrachtet und an den ausgesprochen niedrigen Schwellenwert von 500 gleichzeitigen Zuschauern koppelt."
System der Rundfunkregulierung grundlegend überholt?
Wie viele andere Medienrechtler plädiert Koreng für eine grundlegende Neukonzeption der einschlägigen Gesetzgebung. Die Unterscheidung zwischen Rundfunk und anderen medialen Darreichungsformen sei in Zeiten fortschreitender Medienkonvergenz weder sinnvoll noch praktikabel; Regulierungsbestrebungen will er nicht an das Format, sondern an die tatsächliche Reichweite knüpfen.
Eine solche Zeitenwende ist zwar nicht in Sicht. Die Debatte um PietSmiet (ebenso wie vormals mit ähnlicher Problemstellung bereits um die Handball-WM 2017 sowie um einen Videochat mit der Bundeskanzlerin) trägt aber dazu bei, das Problem aus der Fachwelt in die öffentliche Wahrnehmung zu tragen. Auch in der Politik scheint die Diskussion langsam anzukommen: CDU-Generalsekretär Peter Tauber zumindest schrieb nach dem Treffen mit Smits auf seinem Blog: "Ich halte es für notwendig, die rechtlichen Rahmenbedingungen so anzupassen, dass sie den Anforderungen und Realitäten unserer Zeit Rechnung tragen. Mit den Regulierungen der analogen Radio- und Fernsehepoche werden wir die Chancen und Herausforderungen des digitalen Zeitalters nicht nutzen bzw. stemmen können."
Constantin Baron van Lijnden, Rundfunklizenz für YouTube-Kanäle?: . In: Legal Tribune Online, 31.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22539 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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