Vierte Anklage gegen Trump in Georgia: Eine Ver­schwörung zur Beein­flus­sung der US-Prä­si­dent­schafts­wahl 2020?

von Leonie Ott

15.08.2023

Ex-US-Präsident Trump ist zum mittlerweile vierten Mal angeklagt worden. Die neue Anklage in Georgia zeichnet das detaillierte Bild eines mutmaßlichen Wahlbeeinflussungsversuchs 2020. Der Überblick, worum es geht und was wichtig ist.

In der Nacht zu Dienstag fiel die Entscheidung: Trump wird im Bundesstaat Georgia angeklagt. Es ist live im Fernsehen zu sehen, wie einem Richter die entscheidenden Papiere vorgelegt werden. TV-Kameras sind dabei, als eine Justizangestellte die Papiere durch die Flure des Gerichts trägt. Die Hintergründe gibt es hier im Überblick.

Worum geht es in der neuesten Anklage ?

Kurz nach der Präsidentschaftswahl in den USA 2020 reiste der älteste Sohn von Donald Trump zur Geschäftsstelle der Republikaner in Georgia, um eine Nachricht zu überbringen. "Wenn ihr meinen Vater nicht zu Hundertprozent unterstützt, dann haben wir ein Problem", sagte er zu den Parteifunktionären Berichten der Washington Post zufolge. Der Parteivorsitzende soll ausgesehen haben als wäre ihm ein Gespenst begegnet. Die Nachricht war angekommen und es begann eine organisierte Aktion, um die Öffentlichkeit von einem Wahlbetrug zu Lasten Trumps zu überzeugen. So sieht es jedenfalls die neuste Anklage gegen Trump und seine Verbündeten. 

Es ist die vierte Anklage gegen den ehemaligen Präsidenten – und die umfangreichste. Laut der Staatsanwaltschaft soll sich Trump mit seinen Verbündeten verschworen haben, um das Wahlergebnis der Präsidentschaftswahl 2020 zu kippen. Neben dem 77-Jährigen sind 18 weitere Personen angeklagt, darunter bekannte Gesichter wie New Yorks einstiger Bürgermeister und Trumps früherer Anwalt Rudy Giuliani. Auch Trumps ehemaliger Stabschef im Weißen Haus, Mark Meadows, ist unter den Angeklagten.

Die zuständige Staatsanwältin Fanni Willis sagte, alle Bemühungen der Verschwörer hätten das "illegale Ziel" gehabt, Trump zu helfen, eine weitere Amtszeit als Präsident an sich zu reißen. Der frühere Präsident und die weiteren Angeklagten hätten sich "wissentlich und vorsätzlich an einer Verschwörung zur rechtswidrigen Änderung des Wahlergebnisses zugunsten von Trump" beteiligt, heißt es in der Anklageschrift.

Wodurch sticht die neue Anklage hervor?

Trump werden darin nun acht Anklagepunkte zur Last gelegt. Darunter ist ein Tatbestand, der üblicherweise bei Fällen organisierter Kriminalität zum Einsatz kommt (federal racketeering law, zu deutsch in etwa "illegale Geschäftsführung"). Nach dem sogenannten Rico-Gesetz ist es der Anklage US-Medien zufolge auch möglich, den Verantwortlichen einer Organisation für Verbrechen seiner Mitverschwörer zu belangen. Es drohen lange Haftstrafen. Unter anderem sollen Trump und weitere Komplizen öffentliche Amtsträger gedrängt haben, ihren Amtseid zu verletzen. Dem Republikaner werden außerdem Falschaussagen und die Einreichung falscher Unterlagen vorgeworfen. 

Die fast hundertseitige Anklageschrift arbeitet ausführlich heraus, wie die Angeklagten in Verbindung zueinander gestanden haben sollen. Dies ist wichtig mit Blick auf jenen Straftatbestand, der in der Regel in Fällen mafiöser Machenschaften und organisierter Kriminalität angewandt wird. Viele Vorwürfe sind bereits seit einiger Zeit öffentlich bekannt, doch die Washington Post berichtet, zeigt erst diese neue Anklage ein umfassendes Bild der koordinierten mutmaßlichen Aktion von Trump und seinen Verbündeten, um einen Wahlsieg Bidens rückgängig zu machen.

Wieso wird Trump wegen versuchter Wahlbeeinflussung gerade in Georgia angeklagt?

Trump hatte die Präsidentenwahl 2020 gegen den Demokraten Joe Biden verloren. Trotzdem behauptet er unbeirrt, er sei durch massiven Wahlbetrug um einen Sieg gebracht worden, ohne dafür Beweise liefern zu können. Georgia hatte zu den Bundesstaaten gehört, die für den Wahlausgang 2020 eine Schlüsselrolle spielten. Biden gewann in dem Bundesstaat damals nur ganz knapp mit etwa 12.000 Stimmen Vorsprung. Trump bemühte sich, seine Wahlniederlage dort - wie auch in anderen Bundesstaaten - nachträglich noch ändern zu lassen. Weltweit Schlagzeilen machte damals aber vor allem ein Anruf, in dem Trump höchstpersönlich seinen republikanischen Parteikollegen - Georgias obersten Wahlaufseher, Brad Raffensperger - dazu aufrief, genügend Stimmen für ihn "zu finden". Es gibt eine Tonaufzeichnung von dem Anruf. Wegen dieser und anderer Einflussversuche, die publik wurden, hatte Staatsanwältin Willis in Georgia 2021 Ermittlungen eingeleitet.

Welche anderen Einflussversuche von Trumps Verbündeten beleuchtet die Anklage?

Es geht unter anderem um Einschüchterungskampagnen gegen Wahlhelfer. Trumps Team wird vorgeworfen, einzelne Wahlhelfer persönlich des Wahlbetrugs bezichtigt zu haben, darunter auch Shaye Moss, deren Fall besonders für öffentliches Aufsehen sorgte. Trumps Verbündete behaupteten fälschlicherweise nach der Wahl, dass Helfer wie sie Wahlzettel für Trump weggeworfen und gefälschte Zettel für Biden gezählt hätten. Dabei gerieten Moss und ihre Mutter ins Visier von Trump-Anhängern, weil sie auf einem Video zu sehen waren, das in Umlauf gebracht wurde. Für beide Frauen wurden die mutmaßlichen Lügen über sie zu einem menschlichen Drama. Bei ihrer Aussage vor dem Untersuchungsausschuss zur Attacke auf das Kapitol sagte Shaye Moss im vergangenen Jahr: "Ich will nirgendwo mehr hingehen. Ich stelle alles in Frage". Menschen hätten sie bedroht, ihr den Tod gewünscht. All das nur wegen der "Lügen" rund um die Wahl und weil sie ihren Job gemacht habe.

Wieso kann dieses Verfahren für Trump besonders gefährlich werden ?

Auf den ersten Blick wirkt eine Anklage auf Bundesstaatenebene im Vergleich zu den Verfahren gegen Trump auf Bundesebene vielleicht weniger gewichtig. Fachleuten zufolge könnte es für Trumps Anwaltsteam in Georgia aber deutlich schwieriger sein, das Verfahren maßgeblich zu verzögern. Selbst wenn er es schaffen sollte, einen Prozess in die Länge zu ziehen, bis er eines Tages möglicherweise selbst wieder im Weißen Haus sitzt - immerhin will er für 2024 wieder kandidieren -, dürfte er die Ermittlungen nicht einfach abschütteln können. Denn auf Ebene eines Bundesstaats kann er nicht einfach beliebig oft einen neuen Staatsanwalt einsetzen, der die Anklage fallen lässt. Ähnlich sieht es beim Thema Begnadigung aus: Im Bund kann ein Präsident zwar Begnadigungen verfügen, womöglich auch für sich selbst, in einem Bundesstaat aber nicht.

Geht es in den anderen Strafprozessen gegen Trump auch um Wahlbeeinflussung?

Trump wird in den kommenden Monaten – also mitten im Wahlkampf – gleich vier Prozesse zu bestreiten haben. In den vergangenen Monaten war bereits in drei anderen Fällen in New York, Miami und Washington Anklage gegen den Republikaner erhoben worden. Der New Yorker Fall steht im Zusammenhang mit Schweigegeldzahlungen an einen Pornostar. Der Fall in Miami dreht sich um die Aufbewahrung von streng geheimen Regierungsunterlagen in Trumps Privatanwesen. In Washington wiederum geht es ebenfalls um die Wahl 2020, nämlich um versuchten Wahlbetrug und den Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021. In dem Fall in Washington wird Trump unter anderem Verschwörung gegen die USA zur Last gelegt.

Wie geht es in dem Verfahren weiter?

Staatsanwältin Willis sagte in der Nacht zu Dienstag, alle Angeklagten hätten bis zum 25. August Zeit, vor Gericht zu erscheinen, um sich den Vorwürfen zu stellen. Sie strebe einen Prozessbeginn innerhalb der nächsten sechs Monate an. Der Zeitplan liege jedoch im Ermessen des Richters. Nach Einschätzung der New York Times dürfte angesichts der Zahl der Angeklagten die Vorbereitung eines Prozesses jedoch deutlich länger dauern. Allein die Auswahl der Geschworenen nehme einige Monate in Anspruch.

Würde eine Verurteilung einer neuen Amtszeit Trumps als Präsident im Wege stehen?

Sollte Trump verurteilt werden, droht ihm - wie bei den anderen Anklagen gegen ihn - eine mehrjährige Haftstrafe. Dabei hat die Anklage in Georgia mit den anderen anstehenden Prozessen etwas gemein: Sie ändert nichts daran, dass Trump sich wie gehabt für die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner bewerben kann und womöglich nach der Wahl 2024 noch einmal ins Weiße Haus einzieht. Bisher ist er der favourisierte Kandidat der Republikaner.

mit Materialien von dpa

Zitiervorschlag

Vierte Anklage gegen Trump in Georgia: . In: Legal Tribune Online, 15.08.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52485 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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