Musikerin Taylor Swift veröffentlicht am Freitag ihr Album "Red" – zum zweiten Mal. Der Grund: Die Rechte an der Tonaufnahme der ersten Version liegen nicht bei ihr. Ein urheberrechtlich außergewöhnlicher Fall, zeigt Pauline Dietrich.
Die US-Sängerin und elffache Grammy-Gewinnerin Taylor Swift veröffentlicht am Freitag, den 12. November, das Album "Red (Taylor’s Version)" – neun Jahre, nachdem "Red" zum ersten Mal erschienen ist. Während die Albumtitel nur fast identisch sind, sind die Songs exakt die gleichen - Swift hat das Album einfach komplett neu aufgenommen. Die Songs existieren damit ab jetzt zwei Mal, so beispielsweise der Hit "I knew you were trouble" und "I knew you were trouble (Taylor‘s Version) ". Genauso hat sie es bereits mit dem Album "Fearless" gemacht und plant es mit weiteren Alben, die sie beim Label "Big Machine Records" veröffentlichte, bei dem sie von ihren ersten Erfolgen im Jahr 2006 bis 2018 unter Vertrag stand.
Hintergrund des Ganzen ist ein Streit um die Rechte an diesen Songs. Taylor schreibt ihre Songtexte sowie die Kompositionen in den meisten Fällen selbst und singt sie ein. Sie ist damit Urheberin oder zumindest Miturheberin und ausübende Künstlerin. Die Rechte an der eingespielten Komposition und dem Text stehen ihr zu. Keine Rechte hat sie jedoch an dem sogenannten Master, also der "Ur"-Tonaufnahme.
"Die Rechte an der Tonaufnahme werden zumeist mittels eines Bandübernahmevertrages an einen Tonträgerhersteller übertragen. Dieser Begriff ist historisch gewachsen, da früher physische Tonträger hergestellt wurden. Heute im digitalen Zeitalter nennt man diese Unternehmen Plattenfirmen oder ‘Labels‘", sagt Rechtsanwalt Stephan Mathé von der Kanzlei Poppe in Pinneberg. Dem Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht zufolge übernimmt ein Label dann meistens nur die Nacharbeit, also die Aufgabe, eine Tonaufnahme, zum Beispiel in Form eines Download-Albums, zu vermarkten, zu bewerben etc. Dafür erhalte der ausübende Künstler eine entsprechende Vergütung bzw. Gewinnbeteiligung.
Master an den "Falschen" verkauft
So geschehen auch bei Swift. Dies ist in Anbetracht der Tatsache, dass sie im Jahr 2006 mit Vertragsunterzeichnung ihre Karriere erst startete und auf ein Label angewiesen war, keine Besonderheit. Der Knackpunkt des Falls stellt aber der Verkauf des Labels an den Musikmanager Scooter Braun dar, der damit auch die Tonaufnahmen ihrer Alben erwarb. Auch das ist zunächst rechtlich gesehen nichts Aufsehenerregendes. Wie so vieles zurzeit in der Musikindustrie ist es jedoch zu etwas Besonderem geworden, einfach weil es um Taylor Swift geht.
Denn der passte weder, dass sie vor dem Verkauf nicht gefragt wurde, noch an wen das Label verkauft wurde. Swift sagt nämlich, Braun habe sie in der Vergangenheit "gemobbt". Dieser arbeitete mit dem Rapper Kanye West zusammen, mit dem Swift ein sehr angespanntes Verhältnis hat – spätestens, seitdem West in seinem Song "Famous" die Sängerin als "Bitch" (dt. "Schlampe") bezeichnete und behauptete, das sei so abgesprochen gewesen.
Ihren Unmut darüber, dass nun ausgerechnet an einen dem Vernehmen nach Verbündeten Wests in dieser Sache die Tonaufnahmen ihrer teilweise rekordbehafteten Alben gelangen, teilte Swift öffentlichkeitswirksam mit. Ihre außergewöhnlich treue und leidenschaftliche Fangemeinde steht hinter ihr. Inzwischen hat Braun die Rechte - wiederum für eine horrende Summe – weiterverkauft. In Medienberichten ist die Rede von 300 bis 400 Millionen US-Dollar. Swift hatte davon keine Kenntnis und wohl auch kein Angebot bekommen, die Rechte selbst zu kaufen.
Urheberrechtler: "Weniger eine Sache des Gesetzes, als des Vertrags"
Nach deutschem – und auch nach US-amerikanischem – Recht hat Swift keinen Grund zu der Annahme, dass sie unrechtmäßig behandelt wurde. "Da das Label ein entsprechendes Investment in den Künstler tätigt, wird es sich vertraglich die Möglichkeit vorbehalten, die Nutzungsrechte an der Tonaufnahme oder auch das Vertragsverhältnis insgesamt an einen Dritten weiterzugeben. Ist das der Fall, kann der Künstler wenig tun, wenn ihm der spätere Erwerber nicht gefällt", so Mathé, der zahlreiche nationale wie auch internationale Musikverlage, Labels und Singer-Songwriter vertritt.
So etwas müsse man vielmehr explizit im Vertrag festhalten, wenn es einem wichtig ist. Es handele sich also "weniger um eine Sache des Gesetzes, als vielmehr des Vertrags. " Um zu verhindern, dass die Master an Braun gelangen, hätte Swift sich dem Musikurheberrechtler zufolge ein Mitspracherecht oder ein Vorkaufsrecht an den Mastern der jeweiligen Alben einräumen lassen müssen. Dies ist hier dem Vernehmen nach aber nicht geschehen.
Tonaufnahmen wirtschaftlich entwertet
Doch Swift lässt sich nicht beirren und löst das Problem mit ihrem juristischen Versäumnis in dieser Sache einfach anders: Sie nimmt ihre Alben neu auf, damit letztendlich zwei Tonaufnahmen davon existieren – und dank ihres neuen Vertrags mit dem Label "Republic Records", welches zur Universal Music Group gehört, stehen ihr daran auch die Rechte zu.
Swift geht – und höchstwahrscheinlich zu Recht – davon aus, dass die Nutzerinnen und Nutzer ihrer Songs sich zukünftig vermehrt bei ihr die Zustimmung für eine Nutzung einholen, zum Beispiel für die Verwendung für Werbung und Filme. Noch wahrscheinlicher ist es, dass ihre eingefleischte Fangemeinde keine Kosten sparen wird und sich zur Unterstützung Swifts die Alben einfach erneut kauft, obwohl die meisten die Songs darauf ja eigentlich schon in ihrer Sammlung haben dürften. Als kleines Goodie für zusätzlichen Kaufanreiz fügt Swift neue Songs in den Taylor’s Versions hinzu, die es auf die ersten Versionen der Alben nicht geschafft haben.
Ihr Plan: Sie entwertet mit diesem Vorgehen die "alten" Tonaufnahmen wirtschaftlich – und zwar erheblich.
In gewissem Maße umgeht sie damit auch den Sinn und Zweck des Tonträgerherstellerrechts, die wirtschaftlichen Investitionen an einer Aufnahme zu schützen. Möglich macht dies eine Klausel in ihrem Vertrag mit ihrem ersten Label Big Machine Records, wonach sie die vertragsgegenständlichen Songs bis November 2020 - und damit bis zwei Jahre nach Auslaufen des Vertrags – nicht nochmal neu aufnehmen darf. Die Frist ist nun aber verstrichen. Mathé zufolge ist eine solche Klausel "rechtlich grundsätzlich nachvollziehbar".
"Alte Kamellen" lassen sich eigentlich nicht mehr gut verkaufen
"Da das Label seine wirtschaftliche Investition schützen muss, wird es sich vertraglich immer eine hinreichende Zeit zur exklusiven Vermarktung der Tonaufnahmen einräumen lassen. Es würde den gesamten Vertragszweck konterkarieren, wenn ein Künstler erst einen Song für Label A einspielt und kurze Zeit später denselben Song für Label B", so der Musikurheberrechtler. Oftmals sei es dann so, dass sich die "alten Kamellen" viele Jahre später gar nicht mehr als neue Einspielung verkaufen lassen. "Es gibt ja oft Bands und Künstler, die ihre großen Hits als ‘Best of‘ einige Jahre später neu einspielen, ebenso wie es Remixes und Live-Aufnahmen gibt. Das ist nicht ungewöhnlich. Dass aber Songs viele Jahre später nahezu identisch neu eingespielt werden, das habe ich in der Tat noch nie gehört", sagt Mathé mit Blick auf Swifts besonderen Fall.
Eine treue und kaufkräftige Fangemeinde macht Swifts cleveren juristischen Schachzug also erst möglich, denn die Rechte an den neu eingesungenen Taylor’s-Versions muss sie schließlich auch verkaufen können. Nachahmerinnen und Nachahmer dürfte es deshalb auch Wenige geben, da es für die meisten mangels Fanunterstützung wirtschaftlich einfach nicht sinnvoll sein dürfte.
Allerdings hat Swift sich bereits in der Vergangenheit dafür eingesetzt, dass die Arbeit aller musikalischen Künstlerinnen und Künstlern ausreichend finanziell honoriert wird. So ist es auf sie zurückzuführen, dass Spotify und Apple Music mehr Geld an die Künstlerinnen und Künstler abgeben müssen. Die Gewinnerinnen und Gewinner ihrer Bestrebungen, ihre Rechte vollends auszureizen, dürften letztendlich sowieso die Fans sein – wer freut sich nicht darauf, am Freitag zum zweiten Mal in seinem Leben den Lieblingssong zum ersten Mal hören zu können?
Taylor Swift gegen ihr Ex-Label: . In: Legal Tribune Online, 12.11.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46634 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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