Fälle wie der der Online-Plattform wenigermiete.de sorgen für jede Menge Diskussionen in der Branche – nicht zuletzt, weil sie auch durch die Rechtsanwaltskammern publik gemacht werden. Das ist rechtens, erläutert Martin W. Huff.
Dürfen Rechtsanwaltskammern (RAK) ihre Vorstandsmitglieder und die Öffentlichkeit aktiv darüber informieren, wenn sie wegen (mutmaßlicher) Verstöße gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) gegen Dritte vorgehen? Oder ist das nicht vielmehr Geheimsache, über die zu berichten gesetzlich verboten ist? Fragen, die sich die Branche am Rande des Juristentages vom Ende vergangener Woche stellten.
Aufgeworfen haben sie Fälle wie die des Online-Portals wenigermiete.de. Ohne Kostenrisiko sollen Verbraucher dort an ihr Geld kommen, indem sie den Anspruch auf (mutmaßliche) Zuvielzahlungen an die Plattform abtreten, die diese dann wiederum selbst in eigenem Namen vorgerichtlich durchzusetzen versucht. Wenn das nicht klappt, geht es vor Gericht. In Berlin streitet sich das Start-up mit der örtlichen RAK nun darum, ob das einen Verstoß gegen das RDG darstellt.
RAK können grundsätzlich auch gegen Dritte vorgehen
Die Kammern können nicht nur Maßnahmen gegen ihre eigenen Mitglieder ergreifen, wenn diese gegen berufsrechtliche Vorschriften verstoßen. Es ist ihnen auch gestattet – so seit langem die Rechtsprechung etwa des Bundesgerichtshofs (BGH) – gegen Dritte vorgehen, die gegen das RDG oder gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften verstoßen (könnten). Dies geschieht in der Praxis der 27 regionalen RAK auch regelmäßig.
So war die RAK Köln vor Jahren gegen ein Unternehmen der Dekra-Gruppe vorgegangen, dass aus Sicht der Kammer (später bestätigt durch das Oberlandesgericht Köln) eine Zertifizierung für Rechtsanwälte anbot und Werbung damit machte, die wettbewerbswidrig war. Darüber war in der Presse breit berichtet worden, die Kölner RAK hatte auch selber die Medien informiert.
Immer wieder gehen Kammern – häufig auch im Interesse des Verbraucherschutzes – gegen Unternehmen vor, die in ihrer Werbung den Eindruck erwecken, sie dürften Rechtsberatung betreiben. In den Kammermitteilungen wird auch regelmäßig über den Ausgang der Verfahren berichtet.
Geheimhaltung ja – aber nicht eben nicht immer
Die Öffentlichkeit über solche Verfahren aktiv und medienwirksam zu informieren, ist erlaubt. Die RAK sind sogar dazu verpflichtet, entsprechende Medienanfragen nach den Vorschriften der Landespressegesetze zu beantworten. Denn es gibt keinerlei Geheimhaltungsvorschrift, die dies verbieten würde.
§ 76 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) verbietet zwar den Vorstandsmitgliedern und Mitarbeitern der Kammern, Informationen über Rechtsanwälte und eventuell gegen sie laufende Verfahren nach außen zu geben. Aber selbst diese Vorschrift führt nicht zu einer unbeschränkten Geheimhaltung. So überwiegt etwa bei prominenten Anwälten das Interesse der Öffentlichkeit an Informationen über die an sich geheim zu haltenden Umstände des Verlusts der Anwaltszulassung, wie das OVG Münster im vergangenen Jahr (Beschl. v. 3.5.2017, 15 B 457/17) entschied und womit es § 76 BRAO im Fall des Ex-AfD-Politikers und Anwalts Marcus Pretzell einschränkend auslegte.
Betrifft ein Verfahren indes keinen Anwalt, fällt das Informieren über von der Kammer angestrengte Verfahren ohnehin nicht unter die Vorschrift des § 76 BRAO. Gerade Wirtschaftsunternehmen müssen es dulden, wenn über gegen sie eingeleitete Prozesse berichtet wird. Nach einer aktuellen Entscheidung des BGH (Urt. v. 1.3.2018, I ZR 264/16) ist eine Innung, solange sie nicht unsachlich wird, sogar berechtigt, öffentlich Kritik an bestimmten Entwicklungen innerhalb der Branche zu äußern, so etwa in Interviews. Im entschiedenen Fall hatte die Innung der Hörgeräteakustiker sich kritisch über einen bestimmten Versorgungsweg geäußert, wogegen sich eine Hörgeräteakustikerin gewehrt hatte – doch der BGH sah die Äußerungen der Innung als zulässig an.
Information auch trotz offenen Verfahrens
Dies bedeutet also: Erheben die Kammern Klagen, so wie jüngst die RAK Berlin gegen wenigermiete.de, so dürfen sie die Öffentlichkeit darüber informieren. Zu den erlaubten Angaben gehören zum Beispiel auch der Name des Unternehmens und die Gründe für den Prozess.
Es muss nur deutlich werden, dass es sich um ein laufendes Verfahren handelt und noch nichts entschieden ist. Das gilt besonders in für den Verbraucher komplexere oder undurchsichtige Verfahren wie jetzt in Berlin, in denen einzelne Kammern des Landgerichts Berlin zu der Rechtsfrage, ob es sich bei der Vertretung der Mieter um einen Verstoß gegen das RDG handelt, unterschiedliche Auffassungen vertreten.
Der Autor ist Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln und Rechtsanwalt in der Kanzlei Legerlotz Laschet und Partner, ebenfalls in Köln.
Verstöße gegen das RDG: . In: Legal Tribune Online, 04.10.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31295 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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