Provider-Haftung für Äußerungen im Netz: Die Verantwortung in den Zeiten des Internets

von Martin W. Huff

13.04.2015

Der Informatiker Prof. Dr. Gerhard Schneider, Leiter des Rechenzentrums der Universität Freiburg,  verwies eindringlich darauf, dass dabei Juristen und Informatiker enger zusammenarbeiten müssten. Dabei kritisierte Schneider sehr deutlich, dass Richter und Rechtsanwälte häufig Anforderungen an die Löschung und insbesondere auch die Sperrung von Daten im Internet stellten, die technisch kaum umsetzbar seien.

Je mehr Ausnahmen es etwa bei der Programmierung von Such-Algorithmen gebe, desto langsamer werde die Suche. Dies spiele sich zwar oft im kaum spürbaren Bereich zeitlicher Verzögerungen ab, wenn es aber vermehrt aufträte, würde es für den Nutzer durchaus merkbar. Dann erreichten solche Maßnahmen auch eine wirtschaftliche Dimension. Denn Nutzer wenden sich heute sehr rasch von Anbietern ab, die ihre Anforderungen nicht mehr erfüllten.

Auch inhaltlich ist es, so wurde in Berlin deutlich, kaum realisierbar, alle möglichen Umgehungen zu finden. Wer heute etwa den Begriff "Wulff Ehefrau" eingäbe, fände z.B. den Hinweis auf Fundstellen, die unter dem Namen "Bettina Wulff" zu Recht nicht mehr zu finden seien.

Nicht nur der Informatiker Schneider plädierte auch für eine strikte Netz-Neutralität. Es dürfe nicht zu einem (Preis-) Wettkampf im Netz kommen, wer seine Inhalte zuerst durchleiten dürfe. Er sprach sich in diesen Fällen für eigene Netze aus, die auch aus technischer Sicht und aus Sicherheitsgründen (etwa im medizinischen Bereich) zudem der deutlich sicherere Weg seien.

Ein neues Recht für den Gelöschten?

Deutliche Kritik übte der Hamburger Rechtsanwalt Jörg Wimmers, regelmäßiger Vertreter von Google und anderen Betreiber in derartigen Fragen, an der Entscheidung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zur Hostprovider-Haftung  für Blog-Einträge. In dem Urteil vom 25.10.2011 (Az. VI ZR 93/10) hat der BGH den Hostprovidern umfangreiche Kommunikationspflichten auferlegt.

Die Betreiber sollen demnach sowohl inhaltlich prüfen, ob der veröffentlichte Inhalt  erkennbar rechtlich bedenklich ist, als auch die intensive Kommunikation zwischen demjenigen durchgehen und einschätzen, der Einträge veröffentlicht habe und dem, der diese beanstandet. Gerade kleinere Anbieter könnten dies gar nicht leisten, so Wimmers. Dies führe im Zweifel zur Löschung bzw. Sperrung von Einträgen, deren Unrichtigkeit überhaupt nicht erwiesen sei.

Karl-Nikolaus Peifer warf die Frage auf, ob nicht auch derjenige, dessen Eintrag einfach gesperrt werde, bestimmte Rechte haben müsste, seinen Beitrag doch zu veröffentlichen oder sich gegen die Löschung zu wehren. Dass es ein solches Recht derzeit noch nicht gebe, bedeute nicht, dass man darüber nicht diskutieren sollte.

Experten kritisieren zunehmende Pflichten der Provider

Kritisch äußerten sich die Teilnehmer des Studienkreises auch zur geplanten Neuregelung des Gesetzgebers in dem am 11. März vorgestellten Referentenentwurf zur Änderung der Störerhaftung im Telemediengesetz (2. TMÄndG).

Besonders die geplanten besonderen Haftungsregelungen für "gefahrgeneigte Dienste", welche eine eigene Kenntnis des Anbieters in bestimmten Fällen vermuten sollen, betrachtet der Marburger Medienrechtler Prof. Dr. Georgios Gounalakis skeptisch.

Allgemein zeigten die Medienexperten beim Studienkreis Presserecht und Pressefreiheit eine eher distanzierte Haltung zu den derzeitigen Tendenzen aus der Judikatur. Zwar sehe das TMG bisher eine Haftungsprivilegierung des Anbieters vor dahingehend, dass er erst handeln muss, wenn er Kenntnis von einer angeblich falschen bzw. die Persönlichkeitsrechte verletzenden Information erhält. Aber wer trägt eigentlich die Beweislast dafür, dass die Information äußerungsrechtlich unzulässig ist? Die Tendenzen der Rechtsprechung, immer mehr Pflichten auf die Provider zu verlagern, sehen die Experten durchaus kritisch.

Der Autor Martin W. Huff ist Rechtsanwalt in der Kanzlei LegerlotzLaschet (LLR) in Köln und Lehrbeauftragter für Medienrecht an der Fachhochschule Köln. Er bildet seit langem Pressesprecher der Justiz aus.

Zitiervorschlag

Martin W. Huff, Provider-Haftung für Äußerungen im Netz: . In: Legal Tribune Online, 13.04.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15210 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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