Ergebnisse der Pariser Klimakonferenz: Ohne Anspruch und Kon­zept

2/2: Vage Finanz- und Verfahrensregeln

Der bekannte umweltvölkerrechtliche Missstand, dass wohlklingende Bekundungen mit sehr vagen konkreten Pflichten zusammentreffen, setzt sich auch bei den Verfahrens- und Finanzregelungen fort. Beispielsweise soll zwar global überprüft werden, ob die Staaten zumindest ihre freiwilligen laschen Emissionsminderungsbekundungen auch wirklich umsetzen.

Wie die Überprüfung laufen soll, bleibt jedoch unklar. Wenn es heißt, die Überprüfung solle nicht etwa bestrafend oder sonst irgendwie störend für die Staaten ausfallen, fragt man sich, was dann überhaupt noch mit Überprüfung gemeint ist.

Ebenso wolkig werden den ärmeren Ländern zwar Hilfen beim Klimaschutz und bei der Anpassung an den teilweise nicht mehr zu verhindernden Klimawandel in Aussicht gestellt. Eventuell soll es sogar eine Kompensation für Klimawandelfolgeschäden geben. Konkrete Summen werden jedoch nicht rechtsverbindlich festgelegt. Und die unverbindlich avisierten Beträge bleiben weit unterhalb des Benötigten. Gleichzeitig werden individuelle Rechtsansprüche etwa der Entwicklungsländer auf Schadenskompensation sogar explizit juristisch ausgeschlossen.

Auch die künftige Einbeziehung der Schwellenländer wie China, Südafrika, Indien oder Brasilien bleibt vage. Zwar sind auch sie irgendwie zum Klimaschutz verpflichtet, für sie wird im Text aber noch stärker ein ständiger Angemessenheitsvorbehalt formuliert. Wie um dies noch weiter zu steigern, hat auch noch jeder Staat – wenn es denn überhaupt erst einmal allseits ratifiziert werden sollte – die Möglichkeit, aus dem Abkommen ohne Angabe von Gründen später wieder auszusteigen.

Die EU hat ihre Vorreiterrolle nicht ausgefüllt

Es war eben nicht mehr drin als dieses Pariser Abkommen, das stimmt zwar. Es verdeckt aber, dass beispielsweise die EU sich keineswegs mit Ruhm bekleckert hat.

Die Pro-Kopf-Emissionen in Europa liegen bei einem Vielfachen dessen, was die Erde vertragen könnte, wenn alle Menschen weltweit und auf Dauer so leben würden wie wir. Einschneidende Reduktionen bei Treibhausgasen hat auch die EU nicht angekündigt.

Und den entscheidenden Zug hat sie nicht gemacht: Hätten westliche Industriestaaten deutlich höhere Finanztransfers offeriert, wären auch klarere Klimaschutzverpflichtungen für die Staaten weltweit denkbar gewesen. Angemessen wäre das, denn die Industriestaaten sind nicht nur leistungsfähiger. Sie sind auch historisch in weit höherem Maße für den Klimawandel verantwortlich, befinden sich doch noch heute die Emissionen der frühen industriellen Revolution in der Atmosphäre.

Dabei wäre jetzt eine echte EU-Vorreiterrolle nötig. Allerdings birgt ein Ansetzen lediglich in einzelnen Lebensbereichen oder in einzelnen Ländern die Gefahr, die Emissionen nur zu verlagern.

Alternativen zu Paris

Die EU sollte deshalb mit einem Klimaschutzansatz vorangehen, der eine Perspektive zur Einbeziehung der übrigen Welt enthält. Durch einen völlig neu konzipierten und verschärften Emissionshandel – mit strengeren und sukzessive anziehenden Reduktionszielen – könnte man fossile Brennstoffe flächendeckend und endlich einmal ambitioniert bepreisen. Fossile Brennstoffe bei Strom, Wärme, Treibstoff und die vielen stofflichen Nutzungen würden so durch erneuerbare Energien, Effizienz und – sofern allein die technischen Neuerungen nicht ausreichen – auch durch genügsamere Lebensstile ersetzt.

Das lohnt sich wirtschaftlich schon kurz- und mittelfristig. Der Ansatz fördert durch den Preisdruck neue Wirtschaftszweige und macht sich von Energieimporten, steigenden Ölpreisen und zweifelhaften Gaslieferanten wie Russland unabhängig, jedenfalls dann, wenn man parallel Energiespeicher und Energieleitungen ausbaut. Man sichert langfristig die Energieversorgung und vermeidet gewaltsame und überdies äußerst teure Wettläufe und Konflikte um schwindende Ressourcen. Vor allem vermeidet man die auch ökonomisch fatalen Klimawandelfolgen.

Alle Staaten etwa in Südamerika oder Afrika könnten sich an dem System beteiligen. Die Einnahmen daraus könnte man für die sozial-ökologische Transformation in jenen südlichen Ländern einsetzen. Gegenüber unbeteiligten Staaten wie den USA oder China könnte man Ökozölle auf Im- und Exporte einführen, die Emissionsverlagerungen dorthin vermeiden. Welthandelsrechtlich ginge das. So könnte man schrittweise immer mehr Staaten weltweit doch noch zu mehr Klimaschutz bringen.

Felix Ekardt leitet die Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Leipzig und Berlin und ist Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Universität Rostock.

Zitiervorschlag

Felix Ekardt, Ergebnisse der Pariser Klimakonferenz: . In: Legal Tribune Online, 14.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17853 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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